Lange Herumgedoktort: Krankenhausreform verabschiedet – der Streit bleibt

17.10.2024

Wird sich das System nun verbessern – oder verschlimmern?

Lange wurde diskutiert, jetzt ist es offiziell: Der Bundestag hat am 17. Oktober 2024 den Gesetzentwurf zur Krankenhausreform (bzw. Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz, KHVVG) verabschiedet. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach spricht von der „größten Gesundheitsreform seit 20 Jahren“, denn: „Mit der Krankenhausreform werden drei zentrale Ziele verfolgt: Sicherung und Steigerung der Behandlungsqualität, Gewährleistung einer flächendeckenden medizinischen Versorgung für Patientinnen und Patienten sowie Entbürokratisierung.“

 

Kritik kommt vor allem aus den Bundesländern, aber auch aus der Opposition und der Gesundheitsbranche. Denn es steht zu befürchten, dass manche der rund 1.700 bestehenden Krankenhäuser („viel zu viele“, so Lauterbach) schließen müssen.
Es könnte außerdem passieren, dass der Vermittlungsausschuss eingeschaltet werden muss.

 

Was soll geändert werden?

  • Das „überholte System der Fallpauschalen mit seinen ökonomischen Zwängen wird beendet“, so Lauterbach: „Stattdessen bekommen notwendige Kliniken Vorhaltepauschalen. Das heißt sie bekommen eine Art Existenzgarantie, selbst wenn sie vergleichsweise wenige Behandlungen anbieten. Viele Krankenhäuser wären von der Schließung bedroht, wenn sich nichts ändert.“

 

Banner-Penny-Pad-Sept-2021

 

  • Statt beliebige Leistungen anzubieten, mit denen sich zwar viel Geld verdienen lässt, die aber für die Patienten nicht unbedingt notwendig sind, sollen sich Krankenhäuser spezialisieren. „Um die Behandlungsqualität deutschlandweit zu verbessern, führt die Reform strikte Qualitätskriterien ein“, so Lauterbach. „Krankenhäuser, die diese Anforderungen nicht erfüllen – etwa aufgrund von fehlendem Fachpersonal oder technischer Ausstattung – dürfen bestimmte Leistungen künftig nicht mehr anbieten. Nur sogenannte ‚Sicherstellungshäuser‘ in ländlichen Regionen, die für die Grundversorgung unverzichtbar sind, dürfen von diesen Kriterien abweichen.“
  • Das Spektrum der medizinischen Leistungen wird künftig in einem ersten Schritt in 65 Leistungsgruppen abgebildet. Diese Leistungsgruppen werden bundeseinheitlich definiert und mit Mindestqualitätsanforderungen hinterlegt.
  • Patienten sollen über ein Verzeichnis sehen, welches Krankenhaus welche Leistungen mit welcher Qualität anbietet.
  • Zur Facharztversorgung sollen sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen („Level 1i-Krankenhäuser“) und „Sicherstellungshäuser“ in Gebieten mit freien Facharztsitzen fachärztliche Leistungen anbieten. „Die Patienten sparen sich lange Wege in eine Praxis und gehen direkt ins Krankenhaus“, so Lauterbach. „Die Vergütung erfolgt ähnlich wie bei niedergelassenen Ärzten über das Krankenversicherungssystem. So stellen wir sicher, dass auch in strukturschwachen Regionen eine umfassende Versorgung gewährleistet wird.“
  • Schwere Erkrankungen bei Kindern sollen direkt in spezialisierten Kinderkliniken ambulant behandelt werden können, ohne Überweisung. Zudem erhalten Kliniken die volle Fallpauschale, auch bei kürzerer Behandlungsdauer. Jährliche Zuschläge von 300 Millionen Euro für Kinderkliniken werden verstetigt, und große Kinderkliniken können Sonderverträge außerhalb der üblichen Regularien abschließen.

 

Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach: „Doppelstrukturen werden abgebaut, überflüssige Bettenkapazitäten reduziert, und die Spezialversorgung konzentriert sich an ausgewählten Standorten. Den Bundesländern wird mehr Spielraum gegeben, ihre Krankenhauslandschaft effizienter zu steuern und Kosten zu senken. Klare Qualitätsvorgaben und der Abbau des ökonomischen Drucks schaffen die Grundlage für ein nachhaltiges Gesundheitssystem, das die Bedürfnisse der Patienten in den Mittelpunkt stellt.“

Mehr Infos hier

 

Ärzte und Krankenhausbetreiber: Reform verfehlt das Ziel

Bundesärztekammer-Präsident Dr. Klaus Reinhardt kommentiert den Beschluss: „Die dringend erforderliche Krankenhausreform in unserem Land ist noch nicht am Ziel. Es stimmt nachdenklich, dass die Reform beschlossen werden soll, obwohl mit dem Leistungsgruppen-Grouper und der Auswirkungsanalyse zentrale Reformbausteine noch nicht vorgelegt wurden. Viele offene Fragen stellen sich auch weiterhin mit Blick auf die Vergütungs- und Finanzierungsseite der Reform, deren Effekte nicht verlässlich abschätzbar sind. Bei der sektorenübergreifenden Versorgung und den Auswirkungen auf die ambulanten Strukturen ist die richtige Balance noch nicht erreicht. Auch das selbstgesteckte Ziel des Bürokratieabbaus wird verfehlt.“

 

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) äußert erwartungsgemäß scharfe Kritik an der aktuellen Ausgestaltung des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes und dem damit verbundenen Gesetzgebungsverfahren. Dr. Gerald Gaß, der Vorstandsvorsitzende der DKG, betont, dass die Reform längst überfällig sei, jedoch in ihrer jetzigen Form nicht umgesetzt werden dürfe. Er kritisiert die unzureichende Berücksichtigung der Änderungsvorschläge der Länder und bemängelt die kurzfristige Einbringung von umfangreichen Änderungsanträgen kurz vor der Abstimmung.

Gaß warnt davor, dass Abgeordnete im „Blindflug“ über eine Reform abstimmen, deren Auswirkungen auf die Patientenversorgung nicht ausreichend analysiert wurden. Zudem bleibt die Finanzierungsreform hinter den Erwartungen zurück, insbesondere in Bezug auf die Unterstützung ländlicher Krankenhäuser.

Die DKG sieht im Gesetzentwurf eine drohende Marktbereinigung und eine Verschlechterung der Versorgungssituation. Der Umgang mit dem Gesundheitsausschuss wird als Missachtung parlamentarischer Gepflogenheiten kritisiert. Gaß appelliert an die Abgeordneten, verantwortungsvoll über die Reform zu entscheiden und die Interessen der Patienten nicht zu vernachlässigen.

 

CDU: „Folgen der Reform nicht abschätzbar – Versorgung wird nicht gerettet, sondern gefährdet“

Tino Sorge, der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, erklärt: „Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und die Ampel haben die zentrale Auswirkungsanalyse zur Reform uns als Opposition und den Ländern absichtlich vorenthalten. Damit hat sich Lauterbach endgültig als Minister erwiesen, der sein Wort nicht hält – schließlich hatte er diese wichtige Simulation monatelang und bereits vor dem Referentenentwurf zugesagt. Damit fehlt jede Grundlage, um die Folgen der Reform abschätzen zu können. Die Ampel begibt sich in den Blindflug. Das Gesetz bleibt hinter den Expertenvorschlägen zurück, beschneidet die grundgesetzlich garantierte Planungshoheit der Länder und trifft Finanzierungsfestlegungen, gegen die schon jetzt Klagen angekündigt werden."

 

Dr. Stephan Pilsinger, Berichterstatter für die Krankenhausversorgung, ergänzt: „Das sogenannte Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz wird die stationäre Versorgung in Deutschland nicht stabilisieren, sondern gefährden. Monatelang haben die Länder und Kommunen, die Fachleute und Krankenhausgesellschaften, die Ärzte- und Pflegeverbände den Prozess konstruktiv zu begleiten versucht, aber vergeblich. Die Vorhaltevergütung in dieser Form wird das vom Bundesgesundheitsminister kritisierte Hamsterrad der Fallzahlanstiege – um der Erlöse willen – nicht stoppen, vielmehr könnte es beschleunigt werden. Eine Entökonomisierung und eine Sicherung von kleineren Häusern, die die Grund- und Notfallversorgung in ländlichen Regionen sicherstellen müssen, wird somit nicht erreicht. Ein schwarzer Tag für unsere Kliniken."

 

Zusammenstellung: Achim Kaemmerer

 


Ihr wollt uns Eure Meinung sagen? Gerne per Mail an

[email protected]