Cannabis-Legalisierung: Kiffen und Auto fahren – wie viel ist erlaubt?

22.08.2024

Bundestag justiert beim Gesetz nach – Polizei und Rechtsmediziner warnen vor den Folgen

Seit April 2024 ist in Deutschland Kiffen und der Besitz von Cannabis unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt. Am 22. August 2024 tritt eine weitere Verordnung in diesem Zusammenhang in Kraft: Der Gesetzgeber hat einen Grenzwert für den berauschenden Wirkstoff THC festgelegt. Ab sofort dürfen sich 3,5 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum im Körper befinden – ähnlich der 0,5-Promille-Grenze bei Alkohol.

Für Fahranfänger sowie für den gleichzeitigen Konsum von Cannabis und Alkohol gibt es strengere Regelungen. Während der zweijährigen Probezeit sowie für alle Fahrerinnen und Fahrer unter 21 Jahren gilt ein striktes Cannabis-Verbot. Die 3,5-Nanogramm-Grenze greift hier nicht, und Verstöße werden in der Regel mit 250 Euro Bußgeld geahndet.

 

Für alle anderen gilt: Wer vorsätzlich oder fahrlässig mit einem THC-Wert von 3,5 Nanogramm oder mehr am Steuer erwischt wird, muss in der Regel mit einer Strafe von 500 Euro und einem Monat Fahrverbot rechnen. Sollte zudem noch Alkohol im Spiel sein, steigt das Bußgeld auf 1000 Euro.

 

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ADAC-Rechtsmediziner: Wann ist man wieder „klar im Kopf“?

Nun stellt sich natürlich die Frage: Woher weiß ein Kiffer bzw. eine Kifferin, ob er oder sie 3,5 Nanogramm pro Milliliter "intus" hat (und wie soll das die Polizei ggf. beurteilen können)? Oder wann ist der Rausch wieder abgebaut, bzw. wann ist man wieder nach dem Konsum "fahrtüchtig"

Daher betont der ADAC, dass die Grenze von 3,5 ng/ml THC bereits das "Maximum des Vertretbaren" darstelle und warnt eindringlich "vor den Gefahren, die mit dem Konsum von Cannabis einhergehen", zu, Beispiel "Einschränkungen in der Konzentration und Aufmerksamkeit" sowie eine "verlängerte Reaktionszeit", die "fatale Folgen" haben können: "Deshalb sei eine breite Aufklärung der Bevölkerung über die Unfallrisiken notwendig", erklärt der ADAC und fordert eine Untersuchung alternativer Messverfahren, wie zum Beispiel die Analyse von Speichelproben, um den akuten Einfluss von Cannabis auf die Fahrtüchtigkeit besser bewerten zu können. 

 

Prof. Dr. Matthias Graw, Leiter des Instituts für Rechtsmedizin an der LMU München, erläutert im Interview mit dem ADAC die Unterschiede zwischen Cannabis- und Alkoholkonsum sowie deren Auswirkungen auf den Straßenverkehr. Laut Graw ist es derzeit nicht möglich, verlässliche THC-Abbau-Rechner wie bei Alkohol zur Verfügung zu stellen, da die Verstoffwechslung von THC im Körper komplex und individuell unterschiedlich ist.

Graw betont, dass die Wirkungen und der Abbau von THC und Alkohol nicht vergleichbar seien. Während Alkohol kontinuierlich abgebaut wird, weisen THC und seine Metaboliten andere Verteilungs- und Abbauvorgänge auf. Auch der Konsumweg (oral oder inhalativ) beeinflusst die Wirkungen und die Zeit, bis der Gipfelwert im Blut erreicht wird.

 

THC wirke auf das Endocannabinoid-System im Körper und könne vielfältige Effekte haben, darunter Euphorie, Entspannung und Wahrnehmungsveränderungen, was die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt. Graw warnt davor, unter THC-Einfluss zu fahren, da die Beeinträchtigungen auch noch 24 Stunden nach dem Konsum anhalten können.

 

Cannabis-Konsumenten fallen im Verkehr durch Aufmerksamkeitsprobleme auf, und es gäbe keine verlässliche Methode, um den THC-Pegel im Körper zu bestimmen, außer durch Blutproben.

Graw sieht eine mögliche Zunahme des Konsums durch die Legalisierung, was zu mehr Verkehrsrisiken und potenziellen Folgeerkrankungen wie Psychosen führen könnte.

 

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Gewerkschaft der Polizei kritisiert: „Keine Experimente“

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) warnt vor "Experimenten" bei der Festlegung eines THC-Grenzwertes im Straßenverkehr und betont, dass die Debatte nicht den falschen Eindruck erwecken dürfe, eine berauschte Teilnahme sei unbedenklich.

 

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Die GdP fordert gesetzlich verankerte Aufklärungskampagnen und Präventionsprogramme für alle Verkehrsteilnehmer und eine bessere personelle Ausstattung.

 

Deutschland werde im internationalen Vergleich als "Billigland für Knöllchen" gesehen, was durch eine niedrige Kontroll- und Sanktionswahrscheinlichkeit verschärft werde. Daher fordert die GdP eine Erhöhung der Sanktionen im Zusammenhang mit THC-bedingten Verkehrsverstößen.

 

Zusätzlich spricht sich die GdP für die Entwicklung und Standardisierung von Drogenschnelltests aus, um THC-Konzentrationen und kürzlichen Drogenkonsum nachweisen zu können. Dazu seien verbesserte polizeiliche Schulungen und angepasste Personalplanungen notwendig.

 

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Zusammenstellung: Achim Kaemmerer

 


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