Steuerschätzung: Schwache Wirtschaft – weniger Einnahmen, mehr Ausgaben
27.10.2023Minister Lindner: Ab 2024 wieder Anstieg, aber: „Kein Spielraum für Verteilungen“
Die Steuereinnahmen für Bund, Länder und Kommunen entwickeln sich – unter Berücksichtigung der seit Mai geltenden Steuerrechtsänderungen – mit einem Volumen von 916,1 Milliarden Euro „schlechter als noch in der Mai-Schätzung erwartet“, das teilte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) bei der Vorstellung der 165. Steuerschätzung am 26. Oktober 2023 mit. „Dies dürfte maßgeblich auf die schwächere Entwicklung der Wirtschaftsleistung zurückzuführen sein. Im nächsten Jahr, für das eine konjunkturelle Erholung erwartet wird, wurde der Schätzansatz gegenüber Mai nur wenig nach oben angepasst. Für die Jahre ab 2025 werden zwar insgesamt begrenzte Mehreinnahmen erwartet. Beim Bund stehen dem aber aufgrund einer Verschiebung ab dem Jahr 2026 deutlich höhere EU-Abgaben gegenüber. Das führt zu massiven Belastungen des Bundeshaushalts in den Folgejahren.“
Daher, so Minister Lindner, „ergeben sich keine neuen Verteilungsspielräume. Mehr denn je sind wir aufgefordert, klug zu haushalten und zu priorisieren. Jetzt ist die Zeit, mutige Entscheidungen bei der Ausgabenplanung zu treffen.
Das Schätzergebnis ist ein klarer Handlungsauftrag. Wir müssen die wirklich wichtigen Aufgaben in den Blick nehmen. Wir müssen weiterhin die Inflation bekämpfen, unsere Wachstumskräfte stärken und die Transformation vorantreiben. Nur so wird es gelingen, nachhaltiges Wachstum zu schaffen. Es ist Voraussetzung für langfristig stabile Staatsfinanzen."
CDU/CSU: "Maßlose Ausgabenpolitik – Ampel-Koalition lebt über ihre Verhältnisse"
Christian Haase, haushaltspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, kommentiert die neue Steuerschätzung: „Eine maßlose Ausgabenpolitik ohne Prioritäten wird – trotz Rekordsteuereinnahmen – 2024 zu einem Haushaltsloch von mindestens 15 bis 20 Milliarden Euro führen. Höhere Schulden werden die Folge sein. Schon jetzt ist absehbar, dass die Neuverschuldung im Rahmen der parlamentarischen Beratungen steigen wird. Die Koalition lebt über ihre Verhältnisse – zu viele Illusionisten und zu wenig Realisten.“
Nicht die wirtschaftliche Dynamik, sondern Inflation und hohe Lohnabschlüsse sorgen für hohe Steuereinnahmen, meint Haase: „Deutschland befindet sich im Abschwung. Dabei ist zu beobachten, dass die Inflation in Deutschland langsamer als in anderen Ländern zurückgeht, während es gleichzeitig laut IWF Schlusslicht beim Wirtschaftswachstum ist. Dies ist ein Menetekel für die nächsten Monate.“
Er vermisst einen „umfassenden und geeinten Plan, wie Deutschland schnell und anhaltend aus dem Abschwung herauskommt. Eine breit angelegte Wachstumsagenda wäre jetzt angezeigt.“
Handelsverband fordert: „Steuerbelastung senken“
Auch Dr. Dirk Jandura, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), äußert sich zur Steuerschätzung: „Mit der Zeitenwende muss auch eine Wende in der Steuerpolitik vorgenommen werden. Wenn unsere globalen Wettbewerber ihre Standortbedingungen für Investitionen und Handel attraktiver machen, können wir nicht so weitermachen wie bisher. Sofern wir wieder stärker sprudelnde Steuerquellen für die Finanzierung der erheblichen Investitionen in Modernisierung und Transformation erreichen wollen, geht dies nur über mehr wirtschaftliche Dynamik, nicht über immer mehr Schulden und neue Steuern. Unser Steuersystem muss internationaler werden. Nicht jedoch, indem wir unser Steuerrecht immer mehr auf internationale oder europäische Behörden outsourcen, sondern indem wir zuallererst unsere Hausaufgaben machen. Unser Steuerrecht muss für Investitionen und für Fachkräfte aus dem In- und Ausland attraktiver, unbürokratischer und digitaler werden. Leistung muss sich lohnen.“
Eine Steuerbelastung für Unternehmen in Deutschland von rund 30 Prozent sei „eine gravierende Investitionsbremse“, so Jandura. „Die Belastung muss runter. Das Wachstumschancengesetz sollte gezielt dazu genutzt werden. Es wäre ein Armutszeugnis für Politik in Bund und Ländern, wenn im Rahmen der Gesetzesberatung nachher weniger herauskommt, als im Schaufenster ausgestellt wurde."
Zusammenstellung: Achim Kaemmerer
Foto: moerschy/Pixabay
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