Deutschlandticket: Weiterfahrt oder Abstellgleis?
08.11.2023Ist die Finanzierung dauerhaft gesichert? Wie viele Fahrgäste nutzen die komfortable Fahrkarte überhaupt?
Keine Frage: für einheitlich 49 Euro monatlich bundesweit mit dem ÖPNV durch die Republik fahren, das ist ein Spitzenangebot – sofern man es entsprechend nutzt. Doch wie erfolgreich ist es nun, das „Deutschlandticket“, ein halbes Jahr nach seiner Einführung? Und vor allem: Woran bemisst man den Erfolg?
Es freuen sich natürlich die Fahrgäste, die relativ viel mit Bus und Bahn fahren, und insbesondere diejenigen, die vorher eine weitaus teurere Monatskarte abonniert hatten.
Doch können sich auch Klimaschützer freuen, weil nun mehr Menschen motiviert werden, vom Auto auf den ÖPNV umzusteigen?
Dazu gibt es unterschiedliche Interpretationen.
Wer abonniert das Deutschlandticket?
Eine Umfrage der Data and Analytics Group YouGov vom 25. Oktober 2023 beispielsweise hat ergeben, dass 66 Prozent der Befragten „noch nie“ ein Deutschlandticket gekauft hätten.
Der Verband der Verkehrsunternehmen (VDV) will im August 2023 herausgefunden haben, dass 42 Prozent der Käuferinnen und Käufern des Deutschland-Tickets zuvor ein ÖPNV-Abo genutzt haben. 47 % sind Neuabonnentinnen und -abonnenten hatten vorher auch Bus und Bahn genutzt und sich nun für das Deutschlandticket entschieden.
Nur 8 Prozent der Käuferinnen und Käufer seien „wirkliche“ Neukundinnen und -kunden, die den ÖPNV vorher nicht genutzt haben.
Und eine weitere Umfrage von Infratest dimap vom August 2023 besagt: etwa ein Sechstel der Bevölkerung besitze ein Deutschlandticket.
„Weitere 40 Prozent können sich die zukünftige Nutzung zumindest vorstellen“, berichtet die Analyse-Plattform Statista: „Die Ticket-Besitzerinnen und -Besitzer wurden zudem gefragt, inwiefern sich die Nutzung von PKWs oder des ÖPNVs seit Erwerb der deutschlandweit gültigen Fahrkarte verändert hat. Das Deutschlandticket hat vor allem Autofahrerinnen und Autofahrer dazu bewegt, den Wagen häufiger stehen zu lassen. Während vor Erwerb des Tickets rund 20 Prozent der Befragten täglich das Auto nutzten, waren es nach dem Kauf nur noch etwa elf Prozent. Der Anteil der Personen, die das Auto vielleicht einmal die Woche nutzen ist hingegen von 12 auf 18 Prozent gestiegen.“
Wer bezahlt das Deutschlandticket auch ab 2024?
Wie auch immer, klar ist auch: Das Deutschlandticket muss für Bund, Bundesländer und die Verkehrsunternehmen dauerhaft finanzierbar bleiben. Und da knirscht es gerade gewaltig.
Seither streiten sich Bund und Länder über die Bezuschussung dieser komfortablen Fahrkarte. Denn die Länder fordern vom Bund mehr Geld, doch Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) will nicht mehr rausrücken – obwohl er das Deutschlandticket selber als „Riesenerfolg“ bezeichnet.
Monatelang wurde gestritten, aber keine Entscheidungen getroffen. Am 6. November 2023 gab es zuletzt ein Bund-Länder-Gipfeltreffen, von dem man sich konkrete und planbare Ergebnisse erhofft hatte.
Am Ende erklärte Bundesminister Volker Wissing: „Die Erfolgsgeschichte geht weiter! Auch im Jahr 2024 beteiligen sich Bund und Länder mit 3 Milliarden Euro an den Kosten für das Deutschlandticket. Es wird weiterentwickelt, vereinfacht & digitaler gemacht. Die Länder sollten diese nie dagewesene Chance erkennen & alles dafür tun, damit die Abo-Zahlen weiter steigen.“
Doch eigentlich wurde eine Lösung nur aufgeschoben, meint der VDV: Bund und Länder „haben beschlossen, die restlichen Finanzierungsmittel für das Deutschlandticket, die in 2023 nicht benötigt werden, auf das Jahr 2024 zu übertragen. Damit stehen der Branche in 2024 zu den bereits vereinbarten 3 Milliarden Euro von Bund und Ländern bis zu 700 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung, um ihre Einnahmeverluste auszugleichen. Eine Nachschusspflicht wie in 2023 wurde jedoch nicht beschlossen. Die Finanzierungslücke ist damit nur zum Teil geschlossen“, berichtet VDV-Präsident Ingo Wortmann: „Die Finanzierungsfrage ist damit nicht abschließend und vollständig beantwortet. Denn nach unserer Prognose werden diese Mittel nicht für das ganze Jahr 2024 ausreichen, es fehlen noch mindestens 400 Millionen Euro. Mit diesem Beschluss geht die Debatte um die Zukunft des Tickets also in die Verlängerung. Von zentraler Bedeutung ist nun, wie das beschlossene Konzept zur weiteren Ausgestaltung des Deutschland-Tickets konkret aussehen wird, um das Ticket dauerhaft zum Erfolg zu machen.“
Bericht: Achim Kaemmerer
Fotos/Montage: Achiv anzeiger24.de
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