Paukenschlag aus dem Rathaus: Kämmerer verhängt Haushaltssperre
02.08.2024Stadt Leverkusen will mit ‚drastischen Maßnahmen die Haushaltsführung anpassen‘
Diese Nachricht am Freitagmittag, 2. August 2024, hat ein kleines Beben im Rathaus und in der lokalen Politik ausgelöst: nach einer Analyse der bisherigen Steuereinnahmen in 2024 haben sich die zunächst positiven Prognosen „leider nicht wie erwartet entwickelt“, teilt Stadtkämmerer Michael Monitor mit: „Insbesondere die Zahlungen bisheriger und neuer Gewerbesteuerzahlender bleiben deutlich hinter den Erwartungen zurück.“
Der städtische Kassenwart zieht nun die Reißleine, um „die Haushaltsführung anzupassen“. Als erster Schritt werde „eine Haushaltssperre (nach § 25 Abs. 2 KomHVO) erlassen, um den Jahresabschluss nicht weiter zu gefährden“.
Was bedeutet das nun? Auch für die Bevölkerung und Unternehmen?
Verwaltung zum Sparen gezwungen
Die Haushaltssperre zwingt die Verwaltung zu rigorosen Sparmaßnahmen: Nur Maßnahmen, zu denen sie vertraglich oder gesetzlich verpflichtet ist, könnten noch durchgeführt werden, heißt es. Neue Maßnahmen dürfen nicht begonnen werden, und nicht zwingend notwendige Maßnahmen werden eingestellt.
Oberbürgermeister Richrath erklärt: „Zwingend notwendige Investitionen in die Zukunft unserer Stadt, wie etwa in Kitas oder Schulneubauten, sind durch die Haushaltssperre nicht gefährdet.“
Gewerbesteuerhebesatz bleibt konstant
Der Oberbürgermeister und der Kämmerer seien sich einig, dass die Gewerbesteuer trotz der Haushaltssperre nicht angehoben werden soll, heißt es weiter: „In den vergangenen Jahren hat uns dieser Gewerbesteuersatz erhebliche Beträge eingebracht, wodurch auch die Haushalte der letzten Jahre stets positiv waren. Leider sind Gewerbesteuereinnahmen für Kommunen volatil und unterliegen der wirtschaftlichen Entwicklung. Die ist momentan in Deutschland nicht gut, was uns als Industriestandort natürlich hart trifft.“
Kämmerer Michael Molitor ergänzt: „Die Entscheidung, die Gewerbesteuer zu senken, um neue Gewerbesteuerzahlende zu gewinnen, war die richtige Entscheidung und bleibt es auch weiterhin.“
Wichtige Projekte werden priorisiert
Mit der „angepassten Haushaltsführung“ werde die Stadtverwaltung nun der Politik einen Vorschlag unterbreiten, welche Projekte priorisiert zu bearbeiten sind und welche zunächst warten müssen. „Wir müssen sparen und die Themen priorisiert abarbeiten, bis die Wirtschaft sich wieder erholt hat und die Gewerbesteuer wieder fließt“, so Stadtkämmerer Michael Molitor.
Oberbürgermeister fordert bessere Unterstützung der chemischen Industrie
Aus Sicht von Oberbürgermeister Uwe Richrath sind die geringeren Gewerbesteuereinnahmen im Wesentlichen auf die „Belastungen der chemischen Industrie“ zurückzuführen: „Die energieintensive chemische Industrie, besonders in unserer Stadt, muss eine Möglichkeit haben, adäquat auf die derzeit weltweiten Krisen zu reagieren. Bereits seit einem Jahr fordere ich wiederholt die Einführung eines Brückenstrompreises. Auch der beschlossene Bundeshaushalt führt nicht zu einer Entlastung der Kommunen.“
Wie lange die Haushaltssperre läuft, bleibt erst einmal offen. Detaillierte Informationen könnte es im Finanzausschuss am 19. August 2024 geben.
Was sagt nun die Politik dazu?
FDP: „Wachsam bleiben – Stadt soll Mittel effizient und sinnvoll einsetzen“
Die FDP-Ratsfraktion Leverkusen hat ihre „vollumfängliche“ Unterstützung zugesagt: „Wir Freien Demokraten haben uns stets als Mahner bei finanziellen Ausgaben positioniert und werden dies auch weiterhin tun“, sagt der Fraktionsvorsitzende Jörg Berghöfer. „Die finanzielle Stabilität unserer Stadt hat für uns oberste Priorität. Die Haushaltssperre ist ein notwendiger Schritt, um die Ausgaben zu kontrollieren und die finanzielle Gesundheit Leverkusens zu sichern.“
Während in vielen Bereichen wie Schulsozialarbeit oder Erzieherinnen und Erzieher das Personal fehlt, werde Oberbürgermeister Richrath mit seinen „zahlreichen Einstellungen im unmittelbaren Referentenkreis die Stadtkasse über die nächsten 50 Jahre erheblich belasten“, kritisieren die Liberalen: „Wir werden weiterhin wachsam bleiben und darauf achten, dass die Mittel der Stadt effizient und sinnvoll eingesetzt werden“, so der Fraktionsvorsitzende weiter.
SPD fordert: „Ausgaben priorisieren, Einsparpotenziale suchen, keine Änderungen bei Bildung und Steuern“
„Die angekündigte Haushaltssperre überrascht mich grundsätzlich leider nicht, die andauernden Krisen haben Industrie und Wirtschaft geschwächt“, kommentiert SPD-Fraktionschefin Milanie Kreutz die aktuelle Entwicklung. „Dass sich die offenbar sehr optimistisch prognostizierte Gewerbesteuer für 2024 allerdings urplötzlich verringert, verwundert mich doch sehr“.
Verwaltung und Rat müssten nun „priorisieren, wofür Geld ausgegeben wird“. Investitionen in Bildung, also etwa Kindertagesstätten oder notwendige Schulneubauten, würden aber nicht zur Disposition gestellt, betont Milanie Kreutz.
Die SPD erwartet dabei auch, „dass die Stadtverwaltung in ihren eigenen Reihen Einsparpotentiale sucht und jeden Euro umdreht, bevor er ausgegeben wird. Dazu gehöre auch eine Prüfung, wie die städtischen Töchter die Stadt noch mehr unterstützen können z.B. durch Übernahme von Aufgaben.“
Änderungen der kommunalen Steuersätze seien dagegen nicht sinnvoll, so Kreutz: „250 v.H. Gewerbesteuerhebesatz sind ein Standortvorteil, der auf Dauer für eine gute Mischung aus Industrie, Wirtschaft, Mittelstand und Handwerk sorgen und Leverkusen krisenfester machen wird.“
Ebenfalls tabu sei „eine Lösung auf dem Rücken der Mieterinnen und Mieter durch eine Anhebung der Grundsteuer“, ergänzt die Ratsfrau: „Wir stehen fest zu dem Ratsbeschluss, dass das Gesamtaufkommen in Leverkusen durch die Grundsteuerreform nicht erhöht, wird“.
Grüne fordern „task force“ – Haushaltssicherungskonzept vermeiden
Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen scheint von der Haushaltssperre überrascht zu sein und beantragt „eine umfangreiche Darstellung sowie die Einrichtung einer task force zur Vermeidung eines Haushaltssicherungskonzepts im kommenden Jahr“, sagt Stefan Baake, Ratsherr und finanzpolitischer Sprecher der Grünen.
Rupy David und Thomas Nagel vom Vorstand vom Fraktionsvorstand ergänzen: „Solche Entwicklungen wie jetzt, sind eigentlich langfristig in verschiedenen Szenarien prognostizierbar. Daher braucht es jetzt nicht nur Aufklärung, sondern im Sinne unserer Stadt auch eine belastbare Planungssicherheit für die kommenden Jahre. Das geht nur, wenn Politik entsprechend einbezogen wird.“
Bericht: Ulrich Herweg / Achim Kaemmerer
Foto/Montage: anzeiger24.de / Pixabay
Ihr wollt uns Eure Meinung sagen? Gerne per Mail an
oder als Kommentar bei Facebook
unter DerLeverkusener
Euch hat unser Beitrag gefallen? Dann liked und teilt ihn gerne.