
ForuM-Studie: Sexualisierte Gewalt in der evangelischen Kirche – Finger in der Wunde
25.01.2024Bischöfin Fehrs zeigt sich „erschüttert“ – Missbrauch muss nun aufgearbeitet werden
Dass nicht nur die katholische, sondern auch die evangelische Kirche bei Missbrauchs-Vorwürfen von Kindern viel aufzuarbeiten hat, überrascht nicht und ist auch seit jeher bekannt. Nun aber werden die Schandtaten immer mehr erhellt. Am Donnerstag, 25. Januar 2024, hat der Forschungsverbund ForuM der Hochschule Hannover eine Studie zu sexualisierter Gewalt bei den Protestanten veröffentlicht, die weitere dunkle Einblicke in das System von Misshandlungen und Vertuschungen offenbart.
Die wichtigsten Ergebnisse
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) gibt sich reumütig. So erklärte beispielsweise Dorothee Wüst, Sprecherin der kirchlichen Beauftragten im Beteiligungsforum: "Die Studie legt deutlich den Finger in die Wunde institutionellen und persönlichen Versagens, das ist erschütternd und muss anders werden.“
Bischöfin Kirsten Fehrs ergänzt: „Wir sind auch als Institution an unzählig vielen Menschen schuldig geworden. Immer wieder neu, seit ich mich mit dem Thema befasse, erschüttert mich aufrichtig diese abgründige Gewalt, die so vielen Menschen in der Kirche angetan wurde."
Die brutale Gewalt und das unsägliche Unrecht erschüttere auch die Grundfeste von Kirche und Diakonie: "Wir sprechen hier über Gewalt auch an Kindern, etwa in Kitas, von der niemand etwas gewusst haben will. Wir sprechen über ein Wegsehen des Umfelds, der Kirchengemeinden und diakonischen Einrichtungen, und schlicht über das massive Versagen unserer Kirche, den betroffenen Menschen gerecht zu werden. Wir haben sie zur Tatzeit nicht geschützt und wir haben sie nicht würdig behandelt, als sie den Mut gefasst haben, sich zu melden," so Bischöfin Fehrs.
Kindernothilfe: "Entsetzt über alarmierende Zahlen"
Opfer und soziale Organisationen erwarten angesichts des Ausmaßes jetzt allerdings mehr als "nur" Betroffenheit.
Nancy Janz, Sprecherin der Betroffenenvertretung, erklärt: „Wir erwarten eine ernsthafte Auseinandersetzung und zügige Bearbeitung der Ergebnisse dieser Studie. Es darf sich nicht darin erschöpfen, die Handlungsempfehlungen der Studie lediglich zu hören. Jetzt kommt es darauf an, dass EKD und Diakonie ins Handeln und Umsetzen kommen. Es braucht einen angemessenen Umgang bei Meldungen von Fällen, deren Aufklärung, Anerkennung und Aufarbeitung. Damit dies deutlich spürbar bei Betroffenen ankommt, braucht es unabdingbar den Willen der Institution, maßgebliche Änderungen zuzulassen."
Auch die christliche Kinderrechtsorganisationen Kindernothilfe e.V. aus Duisburg zeigt sich "entsetzt über die aktuellen Ergebnisse", so Vorstandsmitglied Carsten Montag: "Es sind alarmierende Zahlen, die die Dringlichkeit nach konkreten Maßnahmen für Schutz vor Gewalt jeglicher Art in der Kirche deutlich machen. Die Kirche muss Verantwortung übernehmen und einen Ort schaffen, an dem alle Mitglieder, ob groß oder klein, geschützt und geborgen sind. Sexualisierte Gewalt darf kein Tabuthema sein. Es müssen Wege geschaffen werden, damit sich Betroffene in einem vertrauensvollen Umfeld melden können und ihnen zugehört wird. Die Verantwortlichen müssen zudem eine transparente Aufklärung und Aufarbeitung sowie präventive Maßnahmen sicherstellen, damit sexualisierte oder emotionale Gewalt ein Ende haben."
Wie geht es nun weiter?
Die Ergebnisse würden nun „mit allen Mitgliedern aus Kirche, mit den Forschenden der Aufarbeitungsstudie und vor allem mit den Betroffenen ausgewertet, um konkrete Schritte abzuleiten“, heißt es bei der EKD. Im November 2024 will das Beteiligungsforum der EKD-Synode einen Maßnahmenplan mit konkreten Konsequenzen aus der Aufarbeitungsstudie vorlegen.
Zusammenstellung: Achim Kaemmerer
Symbolfoto: Ulrike Mai/Pixabay