Eklat bei Abstimmung zu Migrations-Anträgen der CDU: Nur die AfD triumphiert am Ende
29.01.2025Nur eine knappe Mehrheit – SPD, Grüne und Linke werfen Union „Recht- und Tabubruch“ vor
Wie zu erwarten: es war eine aufgeheizte und hochemotionale Debatte im Deutschen Bundestag am 29. Januar 2025. Es fielen sogar Worte wie „historisch“, wenn auch nicht im wohlwollenden positiven Sinne. Und am Ende hat es die CDU-Fraktion geschafft und zumindest für einen ihrer beiden Entschließungsantrag zur Verschärfung der Migrationspolitik eine Mehrheit erzielt. Für viele hatte dies aber einen bitteren Beigeschmack: Dieser Mehrheit ist mit den Stimmen der AfD – sowie der FDP – zustande gekommen. SPD, Grüne und Die Linke lehnten das Vorhaben ab.
Worum geht es?
Im ersten Entschließungsantrag wird die die Bundesregierung aufgefordert, unverzüglich folgende Maßnahmen umzusetzen:
- Dauerhafte Grenzkontrollen: Alle deutschen Grenzen sollen dauerhaft kontrolliert werden, um unerlaubte Einreisen zu verhindern.
- Konsequente Zurückweisung illegaler Einreisen: Personen ohne gültige Papiere sollen unabhängig von einem möglichen Asylgesuch an der Grenze abgewiesen werden. Die CDU argumentiert, dass Schutzsuchende bereits in den Nachbarstaaten sicher seien.
- Haft für ausreisepflichtige Personen: Wer Deutschland verlassen muss, soll nicht mehr auf freiem Fuß sein. Abschiebungen sollen intensiviert und Haftplätze ausgeweitet werden. Auch Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien sollen wieder möglich sein.
- Mehr Unterstützung für Länder und Bundesausreisezentren: Der Bund soll stärker in die Durchsetzung der Ausreisepflicht eingreifen und Bundesausreisezentren errichten. Die Bundespolizei soll Befugnisse zur direkten Beantragung von Abschiebehaft erhalten.
- Härtere Maßnahmen gegen Straftäter und Gefährder: Ausreisepflichtige Straftäter sollen in einem unbefristeten Arrest bleiben, bis ihre Abschiebung erfolgt oder sie freiwillig ausreisen. Eine Rückkehr nach Deutschland soll ausgeschlossen sein.
Allerdings setzt sich die CDU in dem Antragstext auch von der AfD ab: „Wer die illegale Migration bekämpft, entzieht auch Populisten ihre politische Arbeitsgrundlage. Die AfD nutzt Probleme, Sorgen und Ängste, die durch die massenhafte illegale Migration entstanden sind, um Fremdenfeindlichkeit zu schüren und Verschwörungstheorien in Umlauf zu bringen. Sie will, dass Deutschland aus EU und Euro austritt und sich stattdessen Putins Eurasischer Wirtschaftsunion zuwendet. All das gefährdet Deutschlands Stabilität, Sicherheit und Wohlstand. Deshalb ist diese Partei kein Partner, sondern unser politischer Gegner.“
Das Abstimmungs-Ergebnis
- CDU: 187 Ja, 1 Nein, 8 nicht abgegebene Stimmen
- SPD: 200 Nein, 7 nicht abgegebene Stimmen
- Grüne: 115 Nein, 2 nicht abgegeben Stimmen
- FDP: 80 Ja, 2 Enthaltungen, 8 nicht abgegebene Stimmen
- AfD: 75 Ja, 1 nicht abgegebene Stimme
- Bündnis S. Wagenknecht: 8 Enthaltungen, 2 nicht abgegebene Stimmen
- Die Linke: 26 Nein, 2 nicht abgegebene Stimmen
- fraktionslose Mitglieder: 6 Ja, 2 Nein, 1 nicht abgegebene Stimme
Also: insgesamt 348 Ja-Stimmen, 344 Nein-Stimmen, 10 Enthaltungen und 31 nicht abgegebene Stimmen – eine recht knappe Mehrheit bei 733 Mitgliedern. Hätten sich andere Abgeordnete nicht enthalten oder sich beteiligt, hätte es vielleicht auch anders ausgesehen.
Ein zweiter Antrag für mehr Kompetenzen der Behörden (z.B. Lockerung beim Datenschutz und Informationsaustausch, Ausweitung technischer Befugnisse, Stärkung der Sicherheitsbehörden und Justiz, mehr Maßnahmen zum Opferschutz, Reform des Waffenrechtes, verschärfte Ausweiseregelungen etc.) der Union fand keine Mehrheit.
Heftige Debatte
Vor den Abstimmungen zur Migrationspolitik kam es im Bundestag zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen den Parteien. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verteidigte die Politik der Regierung und warf Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU/CSU) vor, mit seinen Vorschlägen europäisches Recht brechen zu wollen und eine Zusammenarbeit mit der AfD in Kauf zu nehmen.
Merz konterte, die Bundesregierung blockiere notwendige Maßnahmen zur Begrenzung illegaler Migration und Abschiebung ausreisepflichtiger Personen. Die Union sei es den Bürgern und Opfern von Gewalt schuldig, hier konsequent zu handeln.
Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) kritisierte die Union scharf und warnte davor, mit rechtsstaatlich fragwürdigen Maßnahmen europäisches Recht aushebeln zu wollen. Zudem sei der Schulterschluss mit der AfD ein „Bruch mit der Tradition dieser Republik“.
FDP-Chef Christian Lindner verteidigte die Zustimmung seiner Fraktion zum Unionsantrag. Man wolle damit zeigen, dass Migrationskontrolle ein Anliegen der politischen Mitte sei. Es sei problematisch, wenn die AfD die Debatte dominiere, aber ebenso falsch, richtige Maßnahmen nur wegen ihrer Zustimmung abzulehnen.
Die AfD, vertreten durch Alice Weidel, bezeichnete die Politik der Regierung als „Migrationschaos“ und warf der Union vor, ihre Ideen übernommen zu haben, ohne diese konsequent umzusetzen. Nur mit der AfD sei eine echte Wende in der Migrationspolitik möglich.
SPD-Vorsitzender Lars Klingbeil sprach von einem „Tabubruch“ durch die Union und warf Merz vor, durch eine Zusammenarbeit mit der AfD eine tektonische Verschiebung im Parlament auszulösen.
Die Linke kritisierte die Regierungsparteien für frühere Asylrechtsverschärfungen und warf Merz vor, einen „Pakt mit der AfD“ zu schmieden.
Sahra Wagenknecht (BSW) machte die bisherigen Regierungsparteien für das Erstarken der AfD verantwortlich. Nicht gemeinsame Abstimmungen, sondern jahrelange Fehlentscheidungen in der Migrationspolitik hätten die AfD groß gemacht.
Was manche Beobachter befremdlich fanden: Am Ende der Abstimmungen gab es lediglich Beifall und Jubel bei der AfD – die anderen Fraktionen protestierten, die CDU blieb eher regungslos. "Wir hätten uns eine andere Mehrheit gewünscht", sagte Thorsten Frei, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU, am Abend im ZDF-Interview.
In der ARD betonte Antragsteller und CDU-Chef Friedrich Merz: "Wir haben mit der AfD nicht gesprochen, wir diskutieren mit denen nicht, wir gleichen keine Texte ab, sondern wir bringen das ein, was wir in der Sache für richtig halten. Es gibt keine Zusammenarbeit zwischen Union und AfD. Und da können jetzt AfD-Leute triumphieren, wie sie wollen."
Wie geht es nun weiter?
Der Entschließungsantrag der CDU ist nun verabschiedet, aber noch kein Gesetz und rechtlich nicht bindend, betonen einige Staatsrechtler. Auch seien die Forderungen der CDU weder mit der deutschen Verfassung noch mit europäischen Gesetzen vereinbar. Heißt das also: der Beschluss könnte ohnehin verpuffen? Und war dieser Eklat es wirklich wert?
Die CDU wollte Tatkraft bei einem brennenden Thema zeigen, das in der Tat staatliches Handeln dringend erfordert. Nun stellt sich die Frage, ob das der richtige Weg war – bei so einem Resultat.
Bericht: Achim Kaemmerer
Fotos: anzeiger24.de / St.Scheihofer/Pixabay
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