„Wir sind in einer neuen Welt“ – Reaktionen aus Deutschland auf US-Wahl

06.11.2024

Donald Trump wird wieder US-Präsident – was nun?

Viele haben es nicht für möglich gehalten, andere haben dagegen mit allem gerechnet. Seit Mittwochmittag (deutsche Zeit), 6. November 2024, steht fest: Donald Trump wird nach vier Jahren Pause ab Januar 2025 wieder als Präsident die USA regieren. Mit 279 Wahlleuten aus dem Swing State Wisconsin bekam er die erforderliche Mehrheit. Nötig gewesen wären 270.
Doch nicht nur die Nation auf der anderen Seite des Atlantiks muss jetzt mit dieser Entscheidung leben – auch der Rest der Welt wird die Auswirkungen des „America First“-Anführers zu spüren bekommen. Ganz besonders auch Deutschland – das Export-Land, das jetzt u.a. mit saftigen Zöllen auf seine Produkte rechnen muss, die in den USA verkauft werden sollen.

 

Erste Reaktionen gibt es bereits:

 

Kanzler Scholz will „verlässlicher Partner“ bleiben

Formell hat Bundeskanzler Olaf Scholz dem Wahlgewinner bereits in einem Statement „gratuliert“. Doch was bedeutet das nun für die Bundesregierung? „Für uns ist es umso wichtiger, dass wir weiter unsere Gesprächskanäle nach Washington nutzen, dass wir schnell Arbeitsbeziehungen mit der künftigen US-Regierung aufbauen und unsere Standpunkte angleichen. Sicher wird vieles unter einer von Donald Trump geführten Regierung anders. Das hat Donald Trump auch immer öffentlich klargemacht.“

 

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Drei Botschaften will Kanzler Scholz senden:

„Erstens: Deutschland bleibt ein verlässlicher transatlantischer Partner. Das gilt auch mit Blick auf die Bedrohung, die Russland nach Auffassung aller NATO-Alliierten für die Sicherheit im euroatlantischen Raum darstellt.“ Wird die USA aber ein „verlässlicher Partner“ bleiben?

„Zweitens: Die Europäische Union muss eng zusammenstehen und geschlossen handeln.“ Bei einem Treffen in Budapest mit anderen Staats- und Regierungschefs aus Europa sollen gemeinsame Abstimmungen verabredet werden.

„Drittens: Von der transatlantischen Partnerschaft profitieren beide Seiten. Die EU und die USA sind zwei ähnlich große Wirtschaftsräume, verbunden durch die engsten wirtschaftlichen Beziehungen weltweit. Deutschland und die Vereinigten Staaten sind sich in einer über Jahrzehnte gewachsenen Partnerschaft – ja, Freundschaft – verbunden. Unsere menschlichen Verbindungen in die USA sind enger als in jedes andere Land außerhalb Europas. Millionen amerikanische Bürger haben deutsche Wurzeln. Deshalb gilt: We are better off together! Gemeinsam können wir viel mehr durchsetzen als gegeneinander.“

 

Julia Klöckner (CDU): „Ampelregierung ist nicht auf Wahlsieg von Trump vorbereitet“

Die wirtschaftspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Julia Klöckner, sieht das naturgemäß anders und wirft der Bundesregierung „schwere Versäumnisse“ vor: „Diese Ampelregierung ist nicht auf dieses Ergebnis vorbereitet gewesen. Man hat sogar den Eindruck, sie ist auf gar kein Ergebnis vorbereitet", sagte Klöckner im Fernsehsender phoenix. Der Kanzler habe es in der Vergangenheit sogar abgelehnt, über einen etwaigen Wahlsieg Trumps überhaupt nachzudenken. Regierungschef Olaf Scholz sei insofern nicht geeignet, mit den neuen Machtverhältnissen in den USA umzugehen.

 

Die deutsche Regierung werde angesichts der aktuellen Auseinandersetzungen innerhalb der Ampel in den USA kaum ernst genommen: „Eine Bundesregierung, die im Straucheln ist und im Ausland das Image verloren hat, wird nicht auf Augenhöhe verhandeln können, wenn es um wirtschaftliche Auseinandersetzungen geht.“

Sollte ein US-Präsident Trump seine Ankündigungen wahr machen und die Zölle erhöhen, „dann wird das massive Auswirkungen auf dieses Land haben, und dann brauchen wir keine Bundesregierung, die in der Findungsphase ist und die in der Wirtschaftspolitik drei Richtungen hat“, so Klöckner bei Phoenix.

 

Sigmar Gabriel (SPD): „Wenn wir den Schuss nicht gehört haben, werden wir zur Provinz  der Weltpolitik“

Auch Sigmar Gabriel, Vorsitzender der Atlantik-Brücke und früherer Chef der SPD, wirft der Bundesregierung Versäumnisse“ vor: „Der eigentliche Fehler der jetzigen Regierung besteht darin, dass sie nicht viel dafür getan hat, dass Europa wirklich stärker wird. Im Gegenteil: Das deutsch-französische Verhältnis liegt am Boden, und wir haben kein europäisches Zentrum mehr“, erklärte Gabriel im Fernsehsender phoenix. Deutschland trage eine „große Mitverantwortung“ dafür, dass es „kein Vorankommen“ gebe, weil man französische Initiativen „nur halbherzig beantwortet“ habe: „Wenn wir den Schuss jetzt nicht gehört haben, werden wir endgültig zur Provinz in der Weltpolitik. Dann wird man unsere Kinder und Enkel rumschubsen, weil wir in der Welt dann nicht mehr viel zu sagen haben werden.“ Deutschland habe „gebremst“, statt den Vorschlag des französischen Präsidenten Macron aufzugreifen, die europäischen Verteidigungsfähigkeit zu stärken: „Wenn die Russen erst an der polnischen Grenze stehen, ist es zu spät.“

 

Aber auch die US-amerikanischen Demokraten haben Fehler gemacht, findet Gabriel, etwa die steigenden Lebenshaltungskosten und die beiden Kriege in der Ukraine und in Gaza. Trump habe dies „alles ausgenutzt und die Menschen gnadenlos aufgehetzt“, so Gabriel.

Und dass die Demokraten in vielen städtischen Gebieten Stimmen eingebüßt hätten, zeige, „dass sie ziemlich von ihrer früheren Wählerbasis abgehoben sind“. Trump werde Menschen nicht zusammenbringen, sondern weiter spalten: „Er wird wahrscheinlich die Spaltung der Welt weiter vorantreiben. Das ist das eigentlich Gefährliche.“

 

bevh: „Europa muss Trump positive Handelsordnung entgegensetzen“

Auch die Wirtschaft blickt nun mit Sorge in die Zukunft. So fordert Gero Furchheim, Präsident des Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland (bevh), von Europa, sich geeint und mit klaren Leitlinien zu positionieren: „Die Bedeutung der globalisierten Handelsordnung, wie wir sie von früher kennen und wie sie Deutschland stark gemacht hat, wird nach dem Wahlausgang weiter an Bedeutung verlieren. Die Frage ist nur, wie radikal und schnell sich der Umbruch fortsetzt. Eine klare außenwirtschaftliche Strategie, wie Deutschland und Europa sich in dieser neuen Ordnung aufstellen wollen, fehlt aber noch immer. Europa darf niemals erlauben, dass die neuen Spielregeln des Handels von anderen allein bestimmt werden. Es muss seine eigenen Leitlinien bestimmen, die nationalistischen Alleingängen eine positive Ordnung entgegensetzen und die Offenheit als Grundlage für unseren Wohlstand bewahren. Dort, wo uns etwas stört, müssen wir bereit sein in Europa geschlossen zu handeln. Das gilt gegenüber unseren Herausforderern und Verbündeten. Das Ergebnis darf aber niemals eine Welt der gegenseitigen Abschottung und Drohung sein. Extreme, eindimensionale Erklärungsmuster in der Handelspolitik werden der Komplexität unserer Welt nicht gerecht und werden scheitern.“

 

IfW: „Blaupause für andere Wahlen“

Der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Moritz Schularick, fordert im Gespräch mit der Neuen Osnabrücker Zeitung „schnelle politische Konsequenzen“ aus dem Wahlsieg von Trump: „Es war unglaublich kurzsichtig und unverantwortlich, unsere Sicherheit von Swing-Wählern in den USA abhängig zu machen, das rächt sich jetzt."

Deshalb müsse Deutschland kurzfristig massiv in Verteidigungskapazitäten für sich und die Ukraine investieren und dafür die Schuldenbremse aussetzen.

 

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Zudem befürchtet der IfW-Präsident eine Blaupause für andere Wahlen: „Natürlich werden die Demokratie-Feinde in Europa sich den Erfolg von Trump genau angucken und ihre Anstrengungen verdoppeln." Wenn Trumps Handelspolitik so komme, wie er das angekündigt habe, sei das ein schwererer Schlag für die deutsche Exportwirtschaft, aber nur ein Teil der Herausforderungen. „Wir sind in einer neuen Welt“, sagte Schularick.

 

Latino-Sprecher Jamie Florez: „Wir wünschen uns einen, der Probleme lösen kann“

Es gibt aber auch Befürworter der Neuwahl von Trump, zum Beispiel Jamie Florez, Sprecher der Latinos in der Trump-Kampagne. Im Fernsehsender phoenix erklärte er, warum Menschen mit lateinamerikanischen Wurzeln Trump gewählt haben: „Wir möchten eine gesunde Wirtschaft haben, und wir möchten gerne Essen auf dem Tisch haben, das passiert im Moment nicht. Man wünscht sich jemanden, der das Problem lösen kann und das ist Donald Trump.“

Die Entgleisung durch einen Comedian während einer Trump-Wahlkampfveranstaltung im Madison Square Garden gegen Puerto Rico habe der Community zwar nicht gefallen, es sei den Menschen jedoch wichtiger, was für die Nation auf dem Spiel stehe.

 

Zusammenstellung: Achim Kaemmerer
Fotos: Pixabay / Montage: anzeiger24.de

 


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