Von der Flucht ins Berufsleben: Hildener 3-Phasen-Modell ist ein Vorzeigeprojekt für Integration

18.06.2024

Praktische Hilfe statt Bürokratie: Wie Ehrenamt und Unternehmen zusammenarbeiten, um Geflüchtete in den Arbeitsmarkt zu holen

Eigentlich ist die Idee ja ganz einfach und auch effektiv. Hilden macht es vor, vielleicht können andere Städte dem Beispiel folgen: Auf der einen Seite stehen die Unternehmen, die händeringend Fachkräfte oder Auszubildende suchen – auch mit Migrations- und Fluchthintergrund. Auf der anderen Seite stehen die Geflüchteten, die eine Arbeit suchen – doch oftmals an den bürokratischen Hürden in deutschen Amtsstuben scheitern oder verzweifeln. Die Stadtverwaltung Hilden hat einen weniger formellen Weg entwickelt und zieht nun eine erste Bilanz.

Das Projekt nennt sich 3-Phasen-Modell: Statt Sachbearbeiter in der Arbeitsagentur begleiten hier ehrenamtliche Mentorinnen und Mentoren die Arbeitssuchenden – „Mentees“ genannt – bei ihrem Gang durch die Institutionen.

 

Rottler-Streier

 

Wie funktioniert das Modell?

Zwei Beispiele hat die Stadt Hilden nun in einem Pressegespräch vorgestellt: Dr. Michael Reuter betreut Yama Faroog aus Afghanistan, Tetiana Barabash aus der Ukraine wird von Jana Sabelleck geleitet (Foto oben v.l.).

 

Und das über ein dreistufiges Verfahren:

Phase 1: Screening / Vorbereitungsphase

Es werden die Motivation, die Sprach- und Kulturkenntnisse, rechtlichen Voraussetzungen, Qualifikationen und Soft Skills erfasst und überprüft.

Phase 2: Assessment / Umsetzungsphase

Die Potenziale und die fachlichen Fähigkeiten werden herausgearbeitet, eine Bewerbungsmappe erstellt und Vorstellungsgespräche geprobt.

Auch werden Praktikumsplätze vermittelt.

 

Phase 3: Matching

Überleitung zu einem Praktikum, konkreten Jobangebot oder zu einer Ausbildung sowie Stabilisierungsprozess

 

Chemikerin wird Quereinsteigerin in der Telekommunikation

So ist es also beispielsweise gelungen, dass Tetiana Barabash, die in ihrer Heimat als Lebensmittel-Chemikerin arbeitete, nun in Deutschland als Quereinsteigerin für eine Telekommunikationsfirma Router fachmännisch installiert. Ein gewaltiger Wandel, aber die 43-jährige Mutter ist glücklich über ihre neue Tätigkeit.

Der Weg dahin war aber nicht einfach: Erst einmal musste sie Deutsch lernen und sich für ihre Arbeitssuche auf ein komplett neues System einstellen: „Ich habe viele Absagen erhalten, in der Bücherei, einer Metzgerei oder in einer Fabrik gearbeitet.“

Erst durch die Hilfe von Jana Sabelleck, die in ihrem Hauptberuf Personalmanagement betreibt, konnte sie auf die richtige Spur gelangen. „Sie hat mir beim Lebenslauf geholfen und auch mit vielen Personalabteilungen gesprochen“, berichtet Tetiana Barabash – und irgendwann hat es auch geklappt.

Auch ihre Mentorin ist über das erreichte Ziel froh: „Es war schön, ihr zu helfen. Wichtig ist auch, dass wir als Mentoren einfach da sind und mit den Mentees sprechen und sie motivieren.“

 

Studium wegen Flucht abgebrochen – nun neue Ausbildung

So erging es auch Yama Faroog. Er ist aus seiner Heimat vor den Taliban geflohen, hat dafür gezwungenermaßen sein BWL-Studium abgebrochen und musste in Deutschland ein neues Leben anfangen – vor allem die Sprache lernen. „Ich habe viele Jobs gesucht und viele Bewerbungen geschrieben“, erzählt der 39-Jährige.

Und dann kam Dr. Michael Reuter, ein Unruheständler, der in einem multinationalen Konzern tätig war und ebenso seine Erfahrungen einbringen konnte. Das 3-Phasen-Modell hat ihn überzeugt: „Gemeinsam können Menschen aus unterschiedlichen Kulturen etwas bewegen. Vor allem habe ich erkannt, wie gut es uns hier in Deutschland eigentlich geht.“

 

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Das Ergebnis nach diversen Jobbörsen und Kontaktknüpfungen: Yama Faroog hatte zum Schluss sogar zwei Ausbildungs-Angebote in einer Spedition oder einer Firma, die Reifen herstellt. Nun muss er sich nur noch entscheiden.

 

Wie geht es nun weiter?

Mit dem Projekt 3-Phasen-Modell konnte die Stadt Hilden bislang zwölf Mentorinnen und Mentoren gewinnen. Sie haben spezielle Schulungen für ihre Aufgabe durchlaufen und ihre Mentees bei einem „Speed-Dating“ getroffen und ausgesucht.

 

Das Unternehmen QIAGEN unterstützt den Prozess finanziell mit 5.000 Euro, die als Aufwandsentschädigung für die ehrenamtlichen Mentorinnen und Mentoren gedacht sind – einige haben aber auch verzichtet, weiß Anja Voß, Leiterin des Amtes für Jugend, Soziale Dienste und Integration (Foto l. mit Sozialdezernent Sönke Eichner und Projektkoordinatorin Rachida El Khanbachi).

 3-Phasen-Modell-Voss-Eichner

 

Noch ist der Topf gut gefüllt, und neue Interessierte können sich gerne melden, ergänzt der Beigeordnete Sönke Eichner, einer der „Erfinder“ des Hildener 3-Phasen-Modells. Denn es soll auf jeden Fall fortgesetzt werden: Die verkrusteten Strukturen konnten aufgebrochen werden, das System sei „flexibler“, so Eichner: „Die Stärken der Mentees werden genutzt, und das merken auch die Unternehmen. Es ist ein Leuchtturm-Projekt, das eine große Chance bietet, um Integration auf dem Arbeitsmarkt zielführend voran zu treiben. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe – und ohne Ehrenamt geht es nicht.“

 

Unternehmen, interessierte Mentorinnen und Mentoren oder auch Sponsoren, die mit einer Beteiligung liebäugeln, können sich bei der Stadt Hilden unter [email protected] melden.

 

Bericht: Achim Kaemmerer
Fotos: anzeiger24.de

 


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