Reaktionen nach dem Urteil zur CO-Pipeline

01.09.2020

Covestro erfreut - Gegner enttäuscht

Das Oberverwaltungsgericht Münster hat entschieden: Die CO-Pipeline der Covestro ist nicht zu beanstanden. Der Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung Düsseldorf ist rechtmäßig. Und das "Rohrleitungsgesetz" von 2006 und damit die Enteignung privater Grundstücke zwecks Trassenverlegung sind nicht verfassungswidrig. Dabei hatte das OVG im August 2014 noch aus Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Rohrleitungsgesetzes das Verfahren dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorge­legt. Im Dezember 2016 hat das Bundesverfassungsgericht die (Richter-)Vorlage als unzulässig angesehen und nach Münster zurück verwiesen.  

Nun hat das OVG einen vorzeitigen Schlussstrich unter einen 17 Jahre langen Streit zwischen dem Bauherren Covestro (vorher BayerMaterialScience), der Bezirksregierung sowie Gegnern und Anliegern der Rohrleitung gezogen. Allerdings ist das Urteil noch nicht rechtskräftig, denn das Gericht hat den Klägern noch die Möglichkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde eingeräumt.

 

Was sagen nun die Befürworter und Gegner?

 

Covestro: "Inbetriebnahme erst, wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind"

Die Covestro begrüßt als Bauherr der CO-Leitung natürlich das Urteil des OVG: „Wir sehen uns in unserer Rechtsauffassung bestätigt“, erklärt Dr. Daniel Koch, Standortleiter der Niederrheinwerke von Covestro. "Das Gericht betonte in seiner mündlichen Urteilsbegründung zudem sehr deutlich, dass aus seiner Sicht die technische Ausgestaltung der Leitung und damit auch ihre Sicherheit in mehrfacher Hinsicht den technischen Anforderungen nicht nur entspreche, sondern darüber hinausgehe." 
Das Unternehmen werde jetzt in Ruhe die schriftliche Urteilsbegründung abwarten. „Dann schauen wir weiter.“

Covestro habe immer wieder auf die "große Bedeutung der Rohrfernleitungsanlage für den gesamten Chemiestandort Nordrhein-Westfalen" hingewiesen. "Kohlenmonoxid (CO) ist ein wichtiger Grundstoff für die Kunststoff-Herstellung. Durch die Leitung soll der Standort Krefeld-Uerdingen in eine zuverlässigere, sichere und umweltschonendere CO-Verbundstruktur eingebunden werden“, erläutert Dr. Daniel Koch und kündigt an: „Die CO-Pipeline wird erst dann in Betrieb gehen, wenn alle genehmigungsrechtlichen und technischen Voraussetzungen erfüllt sind.“ Dazu zähle unter anderem auch die Verlegung einer zweiten sogenannten Geogrid-Matte über der Rohrfernleitung.

 

Enttäuschung und Kampfgeist bei den Gegnern

Dieter Donner, Pressesprecher der Stopp Bayer-COvestro-Pipeline Initiativen, sieht das selbstredend anders: "Das Urteil können die Bürger in NRW nur mit Zorn und Enttäuschung zur Kenntnis nehmen. Dies ist ein Schlag ins Gesicht von mehr als 100.000 durch die CO-Giftgaspipeline gefährdeten Anwohner."

Die Gegner zeigen sich weiterhin kämpferisch: "Wir gehen – trotz evtl. gegenteiliger Äußerung des OVG – davon aus, dass dieses Urteil im Lichte neuerer höchstrichterlicher Entscheidungen sowohl auf nationaler wie auch auf EU-Ebene nochmals intensiv abgeklopft wird. Dort ist man sowohl hinsichtlich der Gefahrenabwehr, der Umweltverträglichkeitsprüfung wie auch der Öffentlichkeitsbeteiligung erheblich weiter. Insofern war dies heute für uns nicht das Finale, sondern der Start in weitere Runden."


Mehrere Mängel sieht Dieter Donner in der Entscheidung:

  • Abkehr von der eigenen Argumentation zur Verfassungwidrigkeit der Enteignungen "ohne schlüssige Begründung".
  • Fehlende Schutzwirkung bei der zweiten Schutzmatte.
  • Mangelhafte Öffentlichkeitsbeteiligung zu Planänderungen und -ergänzungen
  • Rückzug auf ältere Rechtsauffassungen dazu.
  • Keine Berücksichtigung der Sorgen der Bürger.

 

Dieter Donner: "Wir sind als Bürgerinitiative, die sich für Leben und Unversehrtheit hunderttausender Anwohner einsetzt, entschlossen weiter zu kämpfen und alle Kläger weiter aktiv zu unterstützen. Dabei sehen wir auch unsere Lokalpolitik an unserer Seite. Einige Kommunen haben dazu ihre weitere Unterstützung bereits im Vorfeld der Verhandlung beschlossen

 

 

Auch für den Langenfelder Bürgermeister Frank Schneider ist der Fall noch nicht abgeschlossen: „Ich werde dem Rat vorschlagen, die Privatkläger auch in der nächsten Instanz vor dem Bundesverwaltungsgericht zu unterstützen." Die Städte Langenfeld und Monheim wollen die Nicht-Zulassungsbeschwerde einreichen, über die das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entscheiden muss. 
"Das bisherige Verfahren hat bereits zahlreiche Fehler in Planung und Ausführung der Pipeline aufgedeckt", sagt Frank Schneider. "So hatte schon das Verwaltungsgericht Düsseldorf den Betrieb der Pipeline gestoppt und den Planfeststellungsbeschluss für rechtswidrig erachtet, weil u.a. die Erdbebensicherheit nicht hinreichend berücksichtigt war. Wir haben schon viel erreicht, auch wenn wir formell nun unterlegen sind.“
Die Bezirksregierung hatte zahlreiche Planergänzungsverfahren durchgeführt, so dass die Covestro Nachbesserungen vornehmen konnte. "Das hat dem OVG Münster wohl ausgereicht", meint Schneider. "Das Gericht hat aber nach unserer Auffassung zahlreiche Beweisanträge nicht ausreichend gewürdigt. Eine derart unsicher geplante und gebaute Pipeline für ein hochtoxisches, geruchsloses und unsichtbares Giftgas kann auf dieser Basis nicht in Betrieb gehen. Ohne die von hier mit Sachverstand und finanziellen Hilfen geförderten Klagen wären schon die im Verfahren erfolgten Verbesserungen unterblieben. Bei fast allen Ergänzungen hat man aber die Öffentlichkeit nicht mehr beteiligt. Mit Spannung erwarten nun die Fachjuristen die Urteilsbegründung aus Münster, dann wird man die Erfolgsaussichten bewerten und über alle weiteren Schritte entscheiden." 

  


Jürgen Brüne, Vorsitzender der CDU-Ratsfraktion in Langenfeld: "Für uns ist das ein sehr enttäuschendes Urteil. Wir haben auf einen Negativbescheid gehofft, um die Inbetriebnahme zu verhindern. Man mag es jetzt sicherlich positiv bewerten, dass im Rahmen des Verfahrens viele Verbesserungen aufgrund der Klagen erreicht werden konnten. Solange die Inbetriebnahme dieser gefährlichen Leitung droht, kann man sich jedoch nicht mit diesem Ergebnis zufrieden geben."
Er kündigt an: "Wir werden auch weiterhin im Rahmen unserer Möglichkeiten mit den Bürgerinitiativen, den Bürgermeistern der betroffenen Städte im Kreis Mettmann sowie unserem CDU-Landrat Thomas Hendele gegen die Inbetriebnahme der CO-Pipeline kämpfen. Insofern werden wir auf jeden Fall den Vorschlag unseres Bürgermeisters unterstützen, die Privatkläger auch in der nächsten Instanz vor dem Bundesverwaltungsgericht zu unterstützen - und hoffen hier auf breite Unterstützung durch den Rat.
Die Sicherheit der Langenfelder Bürgerinnen und Bürger hat für uns absolute Priorität und deshalb wird sich an dieser Haltung auch nichts ändern."

 

 

Die Ratsfraktion der SPD Hilden zeigt sich enttäuscht über den Ausgang des Rechtsstreits zur die Inbetriebnahme der CO-Pipeline. „Wir haben uns von Beginn an gegen die Verlegung und Inbetriebnahme der Pipeline gestellt und die Kläger*innen in ihren Anliegen unterstützt“, erklärt Anabela Barata, Vorsitzende der SPD-Fraktion. „Noch als sie selbst Fraktionsvorsitzende war, hat sich Birgit Alkenings intensiv mit dem Thema beschäftigt und Bürger*innen unterstützt, die persönlich betroffen sind“, erläutert Barata weiter. Barata wertet es als starkes Zeichen, dass die Ratsfraktionen auf Initiative der Bürgermeisterin noch vor dem Urteil gemeinsam eine Resolution gegen die Inbetriebnahme verabschiedet haben.

 

 

„Dies ist ein Beispiel für ein Wirtschaftsvorhaben, bei dem die Bedürfnisse der Menschen in der Region ignoriert werden“, sagt Klaus-Dieter Bartel von den Hildener Grünen. „Für die Bürgerinnen und Bürger kann eine solche Leitung mit dem hochgiftigen Gas nur Schaden bedeuten.“ Dieses Giftgas- Rohr unter dem Rohrleitungsgesetz zu fassen, zeige zudem, dass hier die Politik gefragt ist, die Regeln zu verschärfen.

 

 

Ein "schwarzer Tag für Hilden und die gesamte Region", so sieht es Ludger Reffgen von der Bürgeraktion Hilden: "Die Entscheidung muss bei den Bewohnern der Anrainerstädte und in besonderem Maße bei den unmittelbaren Anliegern der Rohrleitung wie blanker Hohn ankommen. Mit ihrer Begründung haben die OVG-Richter nicht nur die Leitung, sondern auch - gewollt oder ungewollt - das unauflöslich mit ihr verbundene Risiko eines tausendfachen Giftgasunglücks, in den Dienst des Gemeinwohls gestellt. Damit sieht das Gericht in der Güterabwägung entschädigungslose Enteignungen und die gegebenenfalls tödlichen Auswirkungen eines Giftgas-Unfalls als gerechtfertigt. Die existenziellen, grauenvollen Ängste der den Risiken ausgesetzten Menschen höchstrichterlich derart vom Tisch zu wischen macht eines deutlich: Hier wird im Zweifel am Ende über Leichen gegangen. Da wirkt die jetzt den Klägern nur noch offenstehende Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig wie ein brüchiger Strohhalm.“

 

 

Auch die Stadt Hilden dürfte enttäuscht sein. Der Haupt- und Finanzausschuss hatte am 26. August 2020 noch eine Resolution verabschiedet: „Die CO-Leitung birgt unkalkulierbare Risiken, die auch technisch nicht beherrschbar sind. Die installierte Leckerkennung beinhaltet eine große Detektionslücke, die dazu führen kann, dass tödliche Mengen CO entweichen, ohne dass sofort ein Alarm ausgelöst wird. Selbst wenn ein Leck oder ein Sabotageakt festgestellt wird, gibt es keine Rettung. Die Feuerwehr kann die Unglücksstelle nur absperren. Für das dichtbesiedelte Gebiet der Stadt Hilden bedeutet das tödliche Gefahr für hunderte Menschenleben.“ 
Bürgermeisterin Birgit Alkenings ergänzte: „In der Region und speziell in Hilden leben Chemieindustrie und Bürgerschaft gut neben-, von- und miteinander. Das funktioniert deshalb, weil es ein langjähriges Vertrauensverhältnis gibt. Wenn dieses erschüttert wird, weil monetäre Gründe über die Sicherheit von Menschenleben gestellt werden, sinkt in der Nachbarschaft auch die Akzeptanz für Chemie-Anlagen grundsätzlich. Das wäre fatal für die Gesellschaft und die Wirtschaft!“

 

 

Katja Kleegräfe, Geschäftsführerin der NRWSPD im Kreis Mettmann, kommentiert: „Das heutige Urteil des OVG Münster müssen wir selbstverständlich akzeptieren. Der Kampf um die Sicherheit der Menschen im Kreis Mettmann kann damit jedoch nicht zu Ende sein. Kreisverwaltung und Landrat sind jetzt dringend aufgefordert, dass Gespräch mit Bürgerinitiativen, Betroffenen und Covestro zu suchen. Ziel muss es sein, trotz des Gerichtsurteils, größtmögliche Sicherheit für die betroffenen Städte zu schaffen. Auch wenn das OVG die Rechtmäßigkeit des Baus der Co-Pipeline bestätigt hat, werden wir alles daransetzen, dass die Pipeline nicht in Betrieb geht. Aus Sicht der SPD im Kreis Mettmann ist die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger im Falle einer Havarie nicht gegeben. Unsere Feuerwehren im Kreis sind weder personell noch technisch ausreichend ausgestattet, um die Bevölkerung hinreichend zu schützen."

 

Text: A.Kaemmerer
Archivfoto: anzeiger24.de

 

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