Kita-Beiträge: Jugendhilfeausschuss lehnt Eltern-Anträge ab
JAEB will sich rechtliche Schritte gegen Satzungsänderung vorbehalten
Die Tendenz war ja bereits im Finanzausschuss erkennbar: Auch in Zukunft sollen Eltern die Beiträge für Kita-Betreuung und Kindertagespflege zahlen, selbst wenn das Angebot wegen Personalmangel oder bedingt durch die Pandemie ausfällt oder eingeschränkt wird. Diese und andere Regelungen (Kosten für Geschwisterkinder, Einkommensgrenzen etc.) wurden nun im Jugendhilfeausschuss bestätigt.
Und abschließend wird voraussichtlich auch der Stadtrat am 14. Dezember diese Satzung verabschieden.
Michael Hirsch-Herda vom Jugendamtselternbeirat (JAEB) wollte aber nicht locker lassen und mit drei Anträgen die Mitglieder der Fraktionen zum Umdenken bewegen.
Vergeblich. Alle Anträge wurden im Jugendhilfeausschuss von einer Mehrheit abgelehnt.
Doch der JAEB will nicht aufgeben...
Worum ging es?
Antrag 1: Keine Beitragszahlung mehr bei Ausfall
Der JAEB akzeptiert nicht, dass die Stadt für nicht erbrachte Leistungen weiterhin Beiträge kassieren will und beantragte: „‘Personalausfall‘ und ‚notwendige Schließungen wegen möglicher Kindeswohlgefährdung aus Personalmangel‘ sowie eine ‚Epidemie‘ oder ‚Pandemie‘ sind (…) kein Grund zur weiteren Berechnung von KiTa-Beiträgen (Entgelt / Verpflegung). Zuviel gezahlte Beiträge werden unaufgefordert und unbürokratisch zurückgezahlt.“
Begründung: Das Kinderbildungsgesetz (KiBiz) schreibe die Gewährleistung einer „regelmäßigen Betreuung und Förderung aller aufgenommenen Kinder“ vor (§27 Absatz 3).
„Aktuell unterschreiten städtische KiTas dieses Ziel jedoch akut. Extreme Ausfallraten von ca. vier Wochen seit Beginn des KiTa-Jahres im August, in denen Familien ihre Kinder zu Hause oder anderweitig lassen betreuen mussten, sind bittere Wirklichkeit in unserer Stadt“, sagt der JAEB.
Die Stadt Hilden argumentiert mit einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster. Demnach stünden die gezahlten Beiträge „nicht in einem Gegenleistungsverhältnis mit der Betreuungsleistung“.
Denn: „Die Kostenbeiträge sind keine kommunale Abgabe (Steuer, Gebühr oder Beitrag), insbesondere keine Benutzungsgebühr, sondern eine öffentlich-rechtliche/sozialrechtliche Abgabe eigener Art. (…) Kostenbeiträge sind keine volle Gegenleistung, kein volles Entgelt für die in Anspruch genommene Betreuungsleistung; sie sind aber dazu bestimmt, die dafür erforderlichen Kosten mitzutragen. (…) Leistungsstörungen wegen Schlecht- oder Nichtleistung, führen nicht zwingend zu einer Ermäßigung oder Aufhebung der Abgabenfestsetzung. Es muss eine ‚grobe Störung‘ vorliegen.“
Wir haben das besagte Urteil nachgeschlagen. In Absatz 11 heißt es: „Elternbeiträge sind als auf § 90 SGB VIII beruhende sozialrechtliche Abgaben eigener Art nur begrenzt dem Äquivalenzprinzip unterworfen.“ Den Satz verstehen wahrscheinlich nur Juristen.
Und weiter: „Bei dem abgabenrechtlichen Äquivalenzprinzip handelt es sich um eine Ausprägung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Es ist verletzt, wenn ein Entgelt in einem groben Missverhältnis zu dem Wert der mit ihr abgegoltenen Leistung der öffentlichen Hand steht.“
Daraus folgert der JAEB: Das Urteil sei „nicht als Freibrief für die Träger zu verstehen, die Ansprüche auf Rückzahlung zu negieren und auf den Rat und die Haushaltslage zu verweisen, noch darf es als solches benutzt werden oder gar in eine Satzung gegossen werden. Eine Verabschiedung der Satzung in vorliegender Form wäre demnach rechtswidrig und anfechtbar.“
Antrag 2: Mehr Mitbestimmung durch den JAEB
Bislang wurde Kindertagespflegeperson (KTPP) bis zu 30 Tage Urlaub und Krankheit im Jahr bei voller Beitragsleistung gewährt. Das war der Interessengemeinschaft Kindertagespflege Hilden e.V. (IG KTP Hilden e.V.) nicht attraktiv genug, um qualifiziertes Personal zu gewinnen.
Nun heißt es, „dass eine Unterbrechung von bis zu 46 Betreuungsfreien Tagen unschädlich für die Gewährung einer laufenden Geldleistung an die Kindertagespflegeperson ist. Die Stadt Hilden ist verpflichtet eine Vertretung für diese Zeiten zu stellen. Dies nehmen die Sorgeberechtigten nur vereinzelt in Anspruch und organisieren die Betreuung privat. Aus der Richtlinienregelung ergibt sich, dass eine Unterbrechung der Betreuung, die von der Kindertagespflegeperson ausgeht, nicht von der Beitragspflicht entbindet."
Der JAEB entgegnet: „46 Tage entsprechen etwa 20% der jährlichen Betreuungsleistung! Das KiBiz sieht im Kitabereich maximal 27 Schließtage vor und empfiehlt sogar nur den Wert von 20 Schließtagen und bezieht sich dabei auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die gewährleistet werden muss."
Daher der Antrag: Dieser Passus solle „familienfreundlicher“ und mehr an die „Lebensrealität“ angepasst werden.
Antrag 3: Keine Änderung an der Geschwisterkindregelung
Ein weiterer Zankapfel: Die Verwaltung will ab einem Haushaltseinkommen von 62.500 Euro auch die Betreuung eines Geschwisterkindes in Rechnung stellen. Das will der JAEB vermeiden.
Hirsch-Herda erklärt dazu: „Die Neufassung der Satzung ist wegen fehlender Beteiligung und Zustimmung der Elternbeiräte nicht rechtens (Kinderbildungsgesetz NRW §10, Absatz 5). Die Elternbeiräte wurden bisher lediglich über die Neufassung der Satzung unterrichtet.“
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Zwar werden niedrige Einkommensgruppen entlastet, „die durchschnittlichen Einkommensgruppen mit mehr als einem Kind dürfen aber nicht die Last der Neufassung tragen. Das ist als unsozial abzulehnen. Die Beschlussvorlage benachteiligt kinderreiche Familien.“
JAEB: Sind die Beschlüsse rechtswidrig?
Bei der Mehrheit der Fraktionen fanden die Anträge des JAEB kein Gehör.
CDU und SPD teilten die Standpunkte der Verwaltung. Lediglich die kleineren Fraktionen wie Grüne und Bürgeraktion enthielten sich teilweise der Stimme oder stimmten den Elternanträgen zu.
In der Korrespondenz mit anzeiger24.de erklärt Michael Hisch-Herda: „Wir würden uns die Einleitung rechtlicher Schritte vorbehalten, sollte die Satzung vom Rat so beschlossen werden.“
Bericht: Achim Kaemmerer
Foto: EvgeniT/succo / Pixabay
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