Juristen-Tipp: Kuriose Kündigungsgründe – Was ist berechtigt, was nicht?
Fachanwalt für Arbeitsrecht Rainer Schlottmann berichtet von ungewöhnlichen Fällen
Während die Juristerei – manchmal nicht ganz zu Unrecht – als eine "trockene und theoretische Wissenschaft" verschrien ist, passieren in der Praxis häufig kuriose Fälle, die man sich gar nicht ausdenken könnte. Dabei präsentiert insbesondere das Arbeitsrecht immer wieder bemerkenswerte Fallgestaltungen, insbesondere bei Kündigungen, die den ein oder anderen sicher zum Schmunzeln bringen werden.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Rainer Schlottmann von der ➤ Rechtsanwaltskanzlei RSL fasst hier kurz einige der kuriosesten Kündigungsgründe zusammen, die die Welt des Arbeitsrechts in den letzten Jahren gesehen hat.
Schneckentempo
Eine bei einer Kreisverwaltung in Hessen angestellte Architektin benötigte nach Angabe ihres Arbeitgebers zu lange für ihr Gutachten zu einem neuen Bauprojekt: Statt der geplanten 40 Tage benötigte die Arbeitnehmerin ganze 96 Tage, um zumindest einen Teil des Gutachtens fertigzustellen.
Noch vor Vollendung kassierte sie die Kündigung und es ist bis heute unklar, ob das bauliche Gutachten jemals fertiggestellt wurde.
Eifrige Überstunden
Einem besonders fleißigen Arbeitnehmer aus Frankfurt wurden seine Überstunden zum Verhängnis: Seinen Feierabend nutzte er dazu, weiter an seinen Projekten zu arbeiten. Das Problem war, dass er dafür geschäftliche E-Mails mit personenbezogenen Kundendaten und betrieblichen Informationen an seinen privaten E-Mail Account weiterleitete.
Dies sahen sowohl sein Arbeitgeber als auch das Arbeitsgericht als schwerwiegenden Pflichtverstoß und die Kündigung des Arbeitnehmers als berechtigt an.
High und betrunken
Ein wahrer Klassiker unter Arbeitsrechtlern: Im Jahr 2017 musste das BMW-Werk in München für etwa eine halbe Stunde seine Produktion stoppen. Grund waren nicht etwa fehlende Chips, sondern zwei Mitarbeiter, die völlig betrunken und "high" zur Arbeit gekommen waren und kurz nach Beginn ihrer Schicht auf dem Fließband kollabierten.
Den einen Mitarbeiter kostete dieses Verhalten seinen Job, der andere wurde lediglich versetzt, während BMW auf einem Schaden in fünfstelliger Höhe sitzen blieb.
Man fragt nicht nach dem Alter
Wie heißt es so schön: Man fragt Menschen nicht nach ihrem Alter. Eine Auszubildende erinnerte sich scheinbar nicht an diesen Leitsatz und schätzte die Lebensgefährtin ihres Chefs in einem Gespräch auf Mitte 40. Dumm nur, dass diese mit 31 Jahren deutlich jünger war und diesen Schätzfehler gar nicht lustig fand.
Auch ihr Lebenspartner, der Chef der Firma, konnte über diese Fehleinschätzung nicht lachen, und kurze Zeit später folgte die Kündigung wegen beleidigenden Verhaltens.
Diese Kündigung hatte vor Gericht allerdings keinen Bestand und die Parteien verglichen sich.
Feuerwerk auf dem Dixie-Klo
Einen kuriosen Fall musste das Arbeitsgericht Krefeld entscheiden: Ein Gerüstbauer zündete einen Feuerwerkskörper in einem Dixie-Klo an. Dummerweise saß dort gerade einer seiner Kollegen. Dieser erlitt schwere Verbrennungen am Unterkörper und war wochenlang nicht arbeitsfähig.
Dem "Spaßvogel" wurde dafür durch den Arbeitgeber fristlos gekündigt.
Wohnheim-Morde
Ein besonders seltsamer Fall wurde 2022 vor dem Potsdamer Arbeitsgericht verhandelt. Dort hatte eine ehemalige Pflegekraft gegen ihre Kündigung geklagt, eine fünfstellige Abfindung und Schmerzensgeld wegen Mobbing von ihrem ehemaligen Arbeitgeber verlangt. Das Arbeitsgericht wies die Klage der Frau ab und wies vielmehr den Arbeitgeber darauf hin, dass dieser Ansprüche gegen die Pflegekraft geltend machen könnte. Diese war nämlich entlassen – und zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt – worden, da sie mehrere Bewohner der Pflegeeinrichtung getötet hatte.
Der schweigsame Sonntagsspaziergang
Ein anderer Arbeitnehmer fiel vermutlich aus allen Wolken, als sein Chef ihm die Kündigung präsentierte. Der Grund für die Kündigung lag nämlich darin, dass der Arbeitnehmer seinen Chef an den vergangenen Wochenenden zwei Mal bei einem gemütlichen Waldspaziergang getroffen hatte – während der Chef freundlich grüßte, ging der Arbeitnehmer einfach weiter.
Kurze Zeit später traf man sich wieder, diesmal vor Gericht. Dieses stellte, zum Glück des Arbeitnehmers fest, dass die mehrfache Verweigerung des Grußes keinen tauglichen Kündigungsgrund darstelle.
Wie Sie sehen, gibt es neben den „Klassikern“ unter den Kündigungsgründen, wie Beleidigung, Diebstahl oder Arbeitsverweigerung, auch viele weitere Gründe wegen denen ein Arbeitsverhältnis aufgelöst werden kann.
Um selbst beim skurrilsten Kündigungsgrund immer gut beraten zu sein, empfiehlt es sich, in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten einen Anwalt zu Rate zu ziehen.
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