Corona-Schutzmaßnahmen sind jetzt Gesetz

18.11.2020

Bundestag und Bundesrat haben Drittes Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite verabschiedet

Die Corona-Pandemie sei ein „Jahrhundertereignis“, eine „Zumutung“ und eine „Bewährungsprobe“, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Mittwochmittag, 18. November, bei der Bundestags-Debatte um das „Drittes Bevölkerungsschutzgesetz“.

 

Große Worte zu einem großen Thema. Denn was bisher Bund und Länder als Ausnahmezustand zwecks Pandemie-Bekämpfung – ohne Parlaments-Mitbestimmung – beschlossen haben, wurde nun in ein Gesetz verwandelt. Nach dem Bundestag hat auch der Bundesrat – also die Vertretung der Bundesländer – das Gesetz noch am selben Tag verabschiedet. Nachdem auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier es unterzeichnet hat, ist es nun in Kraft getreten.

 

Man kann jetzt also verhängte Maßnahmen nicht mehr so ohne weiteres als „unverhältnismäßig“ oder „rechtswidrig“ anzweifeln.

 

Worum geht es?

Der Gesetzentwurf sieht eine ganze Palette voller Gesetzesänderungen und -ergänzungen vor, die teilweise verschärfte Maßnahmen bedeuten.

Hier ein paar Beispiele:

 

Besondere Schutzmaßnahmen
Ein neuer §28a sieht „besondere Schutzmaßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus SARS-CoV-2“ vor – alles bisher schon durchgesetzt, jetzt aber gesetzlich zementiert.

„Für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ gelten u.a.:

  • Ausgangs- oder Kontaktbeschränkungen im privaten sowie im öffentlichen Raum,
  • Anordnung eines Abstandsgebots im öffentlichen Raum,
  • Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung (Maskenpflicht),
  • Untersagung oder Beschränkung des Betriebs von Einrichtungen, die der Kultur- oder Freizeitgestaltung zuzurechnen sind (…) [sowie] von Sportveranstaltungen,
    (…)
  • Betriebs- oder Gewerbeuntersagungen (…) für Betriebe, Gewerbe, Einzel- und Großhandel,
    (…) sowie von gastronomischen Einrichtungen
  • Untersagung (…) oder Erteilung von Auflagen für (…) Versammlungen oder religiöse Zusammenkünfte,
    (…)
  • Anordnung der Verarbeitung der Kontaktdaten von Kunden, Gästen oder Veranstaltungsteilnehmern
  • Reisebeschränkungen.

Im Gesetz steht außerdem: „Entscheidungen über Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) (...) sind insbesondere an dem Schutz von Leben und Gesundheit und der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems auszurichten. (...) Rechtsverordnungen, die nach § 32 in Verbindung mit § 28 Absatz 1 und § 28a Absatz 1 erlassen werden, sind mit einer allgemeinen Begründung zu versehen und zeitlich zu befristen. Die Geltungsdauer beträgt grundsätzlich vier Wochen; sie kann verlängert werden.

 

Das komplette reformierte Infektionsschutzgesetz kann hier nachgelesen werden. 

 

Inzidenzwert
Auch der Inzidenzwert, der bisher nur als Richtwert galt, ist nun rechtlich verbindlich: „Schwerwiegende Schutzmaßnahmen kommen insbesondere bei Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen in Betracht. Stark einschränkende Schutzmaßnahmen kommen insbesondere bei Überschreitung eines Schwellenwertes von über 35 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen in Betracht.“


Weitere Inhalte
Das Gesetz regelt außerdem, dass Laborkapazitäten auch in Veterinärmedizinischen Einrichtungen geschaffen werden können. Schnelltests sowie einheitliche Vorgaben für Reiserückkehrer aus Risikogebieten sollen „eine bessere Nachvollziehbarkeit der Quarantäneanordnung durch die zuständigen Behörden ermöglichen“.

 

Was ist, wenn einmal der lang ersehnte Impfstoff da ist? Dann regelt das Gesetz die Vorbereitungen für Impfprogramme und Testungen. Ein Impfpflicht ist ausdrücklich nicht vorgesehen. Die Bundesregierung kann per Verordnung die Modalitäten zu Vergütung und Abrechnung der jeweiligen Kosten festlegen und bestimmen, dass sowohl Versicherte als auch Nichtversicherte künftig Anspruch auf Schutzimpfungen, Tests und Schutzmasken haben. Private Krankenversicherungen müssen sich in gewissem Umfang an den Kosten beteiligen.

 

Erwerbstätige Eltern, die ihre Kinder aufgrund Schul- oder Kita-Schließung bzw. Quarantäneanordnung zu Hause betreuen und dadurch Verdienstausfälle erleiden, bekommen weiterhin finanzielle Unterstützung.

 

Keinen Anspruch auf Verdienstausfall hat nun, wer eine „vermeidbare Reise in ein Risikogebiet“ antritt und sich daher bei Rückkehr in Quarantäne begeben muss.

 

Kliniken, die Operationen aussetzen, um Kapazitäten für die Behandlung von Covid-19-Patienten zu schaffen, erhalten Ausgleichszahlungen aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds. 

  

Pro & Contra

Teilweise werden mit diesem Gesetz die Einschränkungen von Grundrechten legitimiert – wenn die Lage nicht mehr „schwerwiegend“, sondern „bedrohlich“ ist, wie es in der Neufassung heißt.

 

Und eben das kritisierte die Opposition im Bundestag bei der Verabschiedung des Gesetzes:
Alexander Gauland (AfD) machte sich sogar das Zitat eines Journalisten zu eigen, mit dem er normalerweise gar nicht überein kommt. Der Jurist und SZ-Kommentator Heribert Prantl schrieb einst (sinngemäß): „Grundrechte sind Grundrechte, weil sie immer gelten. Ansonsten sind sie wertlos.“

 

Auch Christian Lindner (MdB und Bundesvorsitzender der FDP) befürchtet, dass die Regierung das „Vertrauen in die Politik auf die Probe“ stelle. Und er fordert mehr Rechte des Parlamentes bei den Entscheidungen ein – was ja bisher nicht geschehen ist: Das Parlament könne nicht täglich die Lage neu beurteilen. Aber es solle „Leitplanken setzen, wenn Grundrechte eingeschränkt werden“.
Der gesetzlich verankerte Inzidenzwert von 50 sei „willkürlich“, weil er lediglich „die Personallage der Gesundheitsämter wider spiegele“. Und eine allgemeine Ausgangssperre sei schlicht „unverhältnismäßig“, denn: „Vom vor-die-Tür-Treten geht noch keine Gefahr aus.“

 

MdB Jan Korte (Die Linke) kritisiert auch die Ausmaße des Gesetzes, sieht darin aber keine „Diktatur“: Das wäre sogar eine „Verhöhnung von Opfern“ wahrer Diktatur.
Allerdings hätte das Vorgehen „monarchische Züge“, die „nicht angemessen“ seien – damit werde „Akzeptanz verspielt“: „Wir müssen aufpassen, dass keine schleichende Demokratie-Krise entsteht.“
Die Maßnahmen seien außerdem widersprüchlich: Die Menschen dürfen sich nicht treffen, aber verkaufsoffene Sonntage seien erlaubt. Kinder dürfen nur noch einen Freund/eine Freundin treffen, aber mit 30 anderen in der Klasse sitzen. Es gebe milliardenschwere für Lufthansa, aber nichts für Luftfilter in Schulen.
Und der Gesundheitsnotstand könne nur behoben werden, wenn „die Kommerzialisierung der Krankenhäuser beendet“ werde.
Und wer bezahlt das alles? „Wahrscheinlich wieder die ‚kleinen Leute‘“, so Korte, der deshalb eine „Vermögensabgabe von Reichen“ forderte.

 

Gesundheitsminister Jens Spahn verteidigte das Gesetz: „Ob wir etwas tun oder nichts tun – es entsteht immer ein Schaden. Doch welchen Schaden können wir ertragen?“ Wirtschaftlich, sozial, Gesundheit, Tod? Man müsse „Prioritäten setzen und abwägen“. Und: „Kein Virologe kann uns diese Entscheidung abnehmen.“
Klar sei für ihn: „Körperliche Unversehrtheit steht auch im Grundgesetz. Oder ist dieses Leid der AfD egal?“
Der Schutz der Gesundheit sei nicht absolut, habe aber ein relativ stärkeres Gewicht: „Wir wollen keine Überlastung des Systems akzeptieren. Steigende Infektionszahlen führen zu steigendem Leid und Kontrollverlust bei einem potentiellen Wachstum.“ Und überhaupt: Deutschland sei in der Pandemie-Bekämpfung immer noch besser aufgestellt als andere Länder: „In welchem anderen Land wären Sie jetzt lieber?“, fragte er rhetorisch in Richtung der Kritiker.
Der Bund brauche jetzt klare Befugnisse, um zu handeln und entscheiden. Und dafür wurde nun dieses Gesetz geschaffen…

 

Text: A.Kaemmerer
Foto: Omni Matryx/Pixabay

 

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