Bundesverfassungsgericht: Ausgangssperre rechtlich nicht zu beanstanden
Wegweisendes Urteil aus Karlsruhe
Wieder einmal hat das Bundesverfassungsgericht ein wegweisendes Urteil im Rahmen der Corona-Politik gesprochen. Verschiedene Kläger sind gegen das am 23. April 2021 in Kraft getretene „Vierte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ (§ 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 IfSG) vor das höchste Gericht gezogen. Sie wollten vor allem gegen Maßnahmen wie die Ausgangssperre vorgehen.
Nun aber hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts in mehreren Hauptsacheverfahren die Verfassungsbeschwerden zurückgewiesen.
Wie wird das Urteil begründet?
Begründung: „Die beanstandeten Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen waren Bestandteile eines Schutzkonzepts des Gesetzgebers. Dieses diente in seiner Gesamtheit dem Lebens- und Gesundheitsschutz sowie der Aufrechterhaltung eines funktionsfähigen Gesundheitssystems als überragend wichtigen Gemeinwohlbelangen. Die Maßnahmen griffen allerdings in erheblicher Weise in verschiedene Grundrechte ein. Das Bundesverfassungsgericht hat die Maßnahmen anhand der allgemein für sämtliche mit Grundrechtseingriffen verbundenen Gesetze geltenden verfassungsrechtlichen Anforderungen geprüft. Danach waren die hier zu beurteilenden Kontakt- und selbst die Ausgangsbeschränkungen in der äußersten Gefahrenlage der Pandemie mit dem Grundgesetz vereinbar; insbesondere waren sie trotz des Eingriffsgewichts verhältnismäßig. Soweit in diesem Verfahren weitere Maßnahmen des Gesetzes zur Eindämmung der Pandemie angegriffen wurden, wie etwa die Beschränkungen von Freizeit- und Kultureinrichtungen, Ladengeschäften, Sport und Gaststätten, war die entsprechende Verfassungsbeschwerde nicht zulässig erhoben.
Unter anderem heißt es: „Die angeordneten Kontaktbeschränkungen griffen sowohl in das Familiengrundrecht und die Ehegestaltungsfreiheit als auch in das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit ein. Die Eingriffe waren jedoch formell sowie materiell verfassungsgemäß und damit verfassungsrechtlich gerechtfertigt.“
Und: „Die Ausgangsbeschränkungen griffen in das Freiheitsgrundrecht ein. Dieses schützt die im Rahmen der geltenden allgemeinen Rechtsordnung gegebene tatsächliche körperliche Bewegungsfreiheit vor staatlichen Eingriffen. (…) Die Regelung war jedoch formell und materiell verfassungsgemäß. (...) Die bußgeldbewehrten Ausgangsbeschränkungen erfüllten die Anforderungen an die Bestimmtheit und Klarheit von Normen. Die Wahl eines selbstvollziehenden Gesetzes war auch hier verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. (…) Die angegriffenen Ausgangsbeschränkungen waren in der konkreten Situation auch verhältnismäßig. Sie dienten als Teil eines Gesamtschutzkonzepts dem verfassungsrechtlich legitimen Zweck des Schutzes von Leben und Gesundheit, waren zur Verfolgung dieses Zwecks im verfassungsrechtlichen Sinne geeignet und erforderlich und standen dazu nicht außer Verhältnis.“
➤ Die komplette Begründung gibt es hier nachzulesen.
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Die "Bundesnotbremse"
Das besagte Gesetz „enthielt ein Bündel von Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie, die in das Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (IfSG) eingefügt wurden!“, erläutert das Bundesverfassungsgericht. „Die hier angegriffenen Maßnahmen waren an eine Sieben-Tage-Inzidenz von 100 gekoppelt. Überschritt also in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt an drei aufeinander folgenden Tagen die Anzahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen (Sieben-Tage-Inzidenz) den Schwellenwert von 100, so galten dort ab dem übernächsten Tag die in § 28b IfSG („Bundesnotbremse“) normierten Maßnahmen. Sank in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt die Sieben-Tage-Inzidenz unter den Wert von 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner an fünf aufeinander folgenden Werktagen, so trat die ‚Notbremse‘ dort ab dem übernächsten Tag außer Kraft.“
Bericht: Achim Kaemmerer
Fotos: Pixabay / Collage: anzeiger24.de
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