Arbeitsrecht: Das Ende der Vertrauensarbeitszeit?
Expertentipp von Rainer Schlottmann - Rechtsanwaltkanzlei RSL aus Hilden
In Deutschland gibt es bislang keine allgemeine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung. Es besteht nur die Verpflichtung, Überstunden sowie Arbeitszeiten an Sonn- und Feiertagen zu erfassen (§ 16 Abs. 2 S. 1 ArbZG).
Im Mai letzten Jahres hat der Europäische Gerichtshof (C-55/18) jedoch entschieden, dass die Arbeitszeiten von Arbeitnehmern vollständig erfasst werden müssen. Diese Entscheidung ist in Deutschland (noch) nicht verpflichtend, da sie von der Bundesregierung erst in nationales Recht umgesetzt werden muss. Allerdings sind die nationalen Regierungen verpflichtet, die Entscheidung zeitnah umzusetzen, sodass es für jeden Arbeitgeber ratsam ist, bereits jetzt über Lösungen zur Arbeitszeiterfassung nachzudenken.
Die europäische Entscheidung beruht auf der Klage einer spanischen Gewerkschaft gegen die Deutsche Bank mit dem Ziel, das Unternehmen zur Einführung eines Zeiterfassungssystems zu verpflichten. Die Gewerkschaft hat sich dabei auf die europäische Arbeitszeitrichtlinie berufen. Diese verbietet eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von mehr als 48 Stunden.
Zur Gewährleistung der Grundrechte von Arbeitnehmern, einschließlich der Begrenzung der Höchstarbeitszeit sowie Einhaltung täglicher bzw. wöchentlicher Ruhezeiten, erachtet der europäische Gerichtshof präzise Messungen der täglichen Arbeitszeit als notwendig. Daher hat das Gericht die nationalen Regierungen in seinem Urteil verpflichtet, die Arbeitgeber zur Einrichtung eines objektiven, verlässlichen und zugänglichen Systems aufzufordern, mit dem die von einem jeden Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann.
Welche genauen Anforderungen die Bundesregierung an die Zeitmesssysteme stellen muss, wurde zwar nicht vom europäischen Gerichtshof entschieden und bleibt somit bis zur Umsetzung der Entscheidung in nationales Recht noch unklar. Eine Erfassung von Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit eines jeden Arbeitnehmers ist jedoch zu erwarten.
Im Hinblick auf die Anforderungen des Datenschutzes sollten Sie in jedem Fall beachten, dass keine Dauerüberwachung sowie keine ständige Überwachung des Aufenthaltsortes einzelner Mitarbeiter erfolgen darf. Zudem müssen Sie als Arbeitgeber die Zugriffsrechte auf die erfassten Daten vorher definieren.
Bereiten Sie sich also schon jetzt auf die Einführung eines Arbeitszeiterfassungssystems vor. Das System sollte eine Erfassung der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden, ihre zeitliche Lage sowie die über die gewöhnliche Arbeitszeit hinausgehende als Überstunden geleistete Arbeitszeit Ihrer Arbeitnehmer ermöglichen. Somit können Sie gewährleisten, dass Ihre Arbeitnehmer Mindestruhezeiten einhalten und eine Überschreitung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit verhindert wird. Beachten Sie bei der Einführung des Systems auch das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG).
Rainer Schlottmann
Rechtsanwaltskanzlei RSL Hilden
08.07.20