Streit um Telefonische Krankschreibung: Missbrauch oder sinnvolle Entlastung?
27.10.2024Arbeitgeberverbände vermuten „Missbrauch“ und fordern Abschaffung – Hausärzte halten dagegen
Die Möglichkeit, sich telefonisch vom Hausarzt krankschreiben zu lassen, wird erneut kontrovers diskutiert. Erst war es eine Maßnahme aus der „Corona-Zeit“, doch im Dezember 2023 wurde die telefonische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) zum dauerhaften Angebot festgelegt. Das bedeutet: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können sich seither bei leichten Beschwerden für maximal fünf Tage per Telefon krankschreiben lassen, wenn sie ihrer Praxis bekannt sind und keine Videosprechstunde möglich ist. Doch die Einführung dieser Regelung hat kritische Stimmen hervorgerufen – etwa von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und den Arbeitgeberverbänden.
TK-Studie: Mehr Krankschreibungen seit der dauerhaften Einführung
Die Techniker Krankenkasse (TK) veröffentlichte im Juli 2024 besorgniserregende Zahlen: Im ersten Halbjahr 2024 waren Arbeitnehmer in Deutschland länger krankgeschrieben als je zuvor in diesem Zeitraum. Laut TK belief sich die durchschnittliche Zahl der Fehltage auf 9,6 Tage – ein leichter Anstieg gegenüber den 9,5 Tagen im ersten Halbjahr 2023 und den 9,1 Tagen in 2022. Atemwegserkrankungen stellten demnach mit 24 Prozent den häufigsten Grund für die Krankmeldungen dar, was zu der Annahme führte, dass die unkomplizierte telefonische AU vermehrt in Anspruch genommen werde.
Minister Lindner und Arbeitgeber: "Wer krank ist, soll zum Arzt gehen"
Angesichts dieser Zahlen fordert die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) eine Rückkehr zur früheren Praxis: Die Arbeitgeber hätten in 2023 etwa 77 Millionen Euro für die Entgeltfortzahlung ihrer erkrankten Beschäftigten aufgebracht, erklärte Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der BDA, gegenüber der Rheinischen Post und fordert in dem Interview: „Lasst uns zurückkehren zum bewährten Verfahren. Ungerechtfertigten Praktiken von digitalen Geschäftemachern müssen unterbunden werden. Das lässt Missbrauch wahrscheinlich erscheinen“.
Auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) unterstützt die Forderung nach einer Abschaffung. Bereits im September 2024 äußerte er auf einer Veranstaltung des Verbands der Chemischen Industrie in Berlin Bedenken: „Man wird für die Krankmeldung zukünftig wieder zum Arzt gehen müssen und das nicht einfach nur telefonisch erledigen können“, berichtet das Deutsche Ärzteblatt. Zwar wolle er niemandem einen Missbrauch der Regelung unterstellen, aber eine „Korrelation zwischen dem jährlichen Krankenstand in Deutschland und der Einführung der Maßnahme“ sei sichtbar.
Hausärzteverband sieht keinen Missbrauch
Nicola Buhlinger-Göpfarth, Vorsitzende des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes, hält dagegen: „Die Einführung der Telefon-AU war aus medizinischer Sicht sinnvoll und ist bisher eine der ganz wenigen erfolgreichen politischen Maßnahmen zur Entbürokratisierung des Gesundheitswesens. Sie jetzt abzuschaffen, wäre schlichtweg absurd“ betont sie ebenfalls gegenüber der Rheinischen Post. Sie empfindet die Unterstellungen des Missbrauchs als unbegründet und verweist auf die positiven Erfahrungen aus der täglichen Praxis.
Quelle: RP / TK / Deutsches Ärzteblatt
Ihr wollt uns Eure Meinung sagen? Gerne per Mail an