Umstrittene Reform zum Selbstbestimmungsrecht: Geschlechtseintrag kann leichter geändert werden
12.04.2024CDU/CSU befürchtet Identitätsverschleierung und Verunsicherung bei Jugendlichen
Transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen haben ab dem 1. November 2024 die Möglichkeit, ihren Geschlechtseintrag im Personenstandsregister und ihre Vornamen durch eine Erklärung beim Standesamt ändern zu lassen. Die Vorlage eines ärztlichen Attests oder die Einholung von Gutachten in einem Gerichtsverfahren ist dann nicht länger erforderlich.
Das hat die Ampel-Koalition beschlossen; das Gesetz wurde am 12. April 2024 im Bundestag verabschiedet.
Die wesentlichen Regelungsinhalte des Gesetzes
- Änderung von Geschlechtseintrag und Vornamen durch „Erklärung mit Eigenversicherung“: Um eine Änderung ihres Geschlechtseintrags und ihrer Vornamen im Personenstandsregister zu bewirken, müssen trans-, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen künftig kein gerichtliches Verfahren mehr durchlaufen. Auch die Einholung von Sachverständigengutachten ist keine Voraussetzung mehr für eine Änderung. Ausreichend hierfür ist vielmehr eine sogenannte „Erklärung mit Eigenversicherung“ gegenüber dem Standesamt. In der Erklärung hat die antragsstellende Person zu versichern, dass die beantragte Änderung ihrer Geschlechtsidentität am besten entspricht und ihr die Tragweite der durch die Erklärung bewirkten Folgen bewusst ist.
- Drei-Monats-Frist für vorherige Anmeldung: Die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen muss drei Monate vor der Erklärung gegenüber dem Standesamt angemeldet werden. Das verabschiedete Gesetz sieht vor, dass dies bereits ab dem 1. August 2024 möglich ist, sodass bereits zu diesem Zeitpunkt die dreimonatige Anmeldefrist zu laufen beginnt.
- Einjährige Sperrfrist für erneute Änderung: Für eine erneute Änderung gilt eine Sperrfrist von einem Jahr nach der vorherigen Änderungserklärung.
- Für Minderjährige sollen folgende Regelungen gelten:
- Für Minderjährige bis 14 Jahren können die Sorgeberechtigten die Änderungserklärung abgeben können; die Minderjährigen können sie nicht selbst abgeben. Die Erklärung bedarf des Einverständnisses des Kindes, wenn es das fünfte Lebensjahr vollendet hat. Die Erklärung des gesetzlichen Vertreters kann nur in Anwesenheit der minderjährigen Person beim Standesamt abgegeben werden. Bei Minderjährigen bis 14 Jahren muss der gesetzliche Vertreter zudem bei der Änderungserklärung mit der Versicherung nach § 2 Absatz 2 SBGG erklären, dass er entsprechend beraten ist.
- Minderjährige ab 14 Jahre können die Änderungserklärung selbst abgeben. Deren Wirksamkeit setzt allerdings die Zustimmung der Sorgeberechtigten voraus. Die Zustimmung kann durch das Familiengericht ersetzt werden. Maßstab dabei ist das Kindeswohl. Beschränkt geschäftsfähige Minderjährige ab 14 Jahren müssen bei der Änderungserklärung mit der Versicherung nach § 2 Absatz 2 SBGG selbst erklären, dass sie beraten sind. Zusätzlich ist zudem eine beispielhafte Aufzählung möglicher Beratungsstellen vorgesehen. - Eintragung als „Elternteil“ in der Geburtsurkunde: Eltern soll die Eintragung „Elternteil“ anstelle von „Vater“ oder „Mutter“ in der Geburtsurkunde ihrer Kinder ermöglicht werden.
- Offenbarungsverbot: Um Personen vor einem Zwangsouting zu schützen, ist es – ähnlich wie im geltenden Recht – auch künftig verboten, frühere Geschlechtseinträge oder Vornamen auszuforschen und zu offenbaren. Wird eine betroffene Person durch die Offenbarung absichtlich geschädigt, so ist der Verstoß bußgeldbewehrt. Ein generelles Verbot des sogenannten „Misgenderns“ oder „Deadnamings“ ist im Selbstbestimmungsgesetz nicht geregelt.
CDU/CSU: „Das Selbstbestimmungsgesetz ist für Jugendliche gefährlich“
Scharfe Kritik zum neuen Gesetz kommt von der stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Dorothee Bär: „Die Ampel-Koalition handelt verantwortungslos und bar jeder Vernunft. Das Gesetz richtet so mehr Schaden an als Nutzen. Wenn ein 14-Jähriger nur per Selbstauskunft versichern soll, dass er zu seinem Geschlechtswechsel von wem auch immer beraten wurde, ist das lächerlich. Wenn ein 5-jähriges Kind einverstanden sein soll, wenn seine Eltern seinen Geschlechtswechsel beantragen, ist das absurd. Eine nachweislose Alibiberatung ist kein Schutz für Jugendliche! Das Gesetz ist gerade für diese vulnerable Gruppe gefährlich. Viele Jugendliche fühlen sich in der Pubertät in ihrem Körper unsicher, söhnen sich dann aber in den allermeisten Fällen mit ihrem Geburtsgeschlecht aus. Deshalb bestehen wir auf einer Begutachtungspflicht bei Kindern und Jugendlichen. Nicht aus Bevormundung, sondern aus Fürsorge. Nach wie vor soll außerdem Eltern, die nicht einverstanden sind, der Entzug des Sorgerechts drohen. Das ist ein gemeiner Keil, den die Ampel gerade bei diesem sensiblen Thema zwischen Eltern und ihre Kinder treibt."
Die zuständige Berichterstatterin Mareike Lotte Wulf ergänzt: „Das Selbstbestimmungsgesetz bleibt in seiner Grundanlage falsch. Die Entkoppelung des rechtlichen vom biologischen Geschlecht führt zu Rechtsunsicherheit – etwa, wenn es um den Zugang zu Frauenschutzräumen oder gleichstellungspolitische Maßnahmen wie Frauenquoten geht. Zudem wurde das ohnehin bereits sehr weitgehende Offenbarungsverbot noch einmal verschärft. Darüber hinaus wurde die Frage, wie ein möglicher Missbrauch des Gesetzes verhindert werden kann, nicht beantwortet. So steht die Frage nach wie vor im Raum, wie eine Identitätsverschleierung ausgeschlossen werden kann.“
Quelle: Bundesjustizministerium / CDU-/CSU-Bundestagsfraktion
Foto: G.Altmann/Pixabay
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