Selbstbestimmungsgesetz: Das eigene Geschlecht auswählen

24.08.2023

Bundeskabinett beschließt Gesetzentwurf – Doch es gibt reichlich Bedenken und Kritik

„Zur Menschenwürde und zum Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit gehört auch das Recht auf geschlechtliche Selbstbestimmung“, heißt es auf der Internetseite der Bundesregierung zu einem neuen – und erneut umstrittenen – Gesetzentwurf.

Das Bundeskabinett hat sich am 23. August 2023 darauf verständigt, ein Selbstbestimmungsgesetz auf den Weg durch das Parlament zu bringen: „Es soll das nicht mehr zeitgemäße Transsexuellengesetz ablösen. Das Selbstbestimmungsgesetz leistet einen Beitrag zum Grundrechtsschutz für die Betroffenen. Denn das Grundgesetz schützt auch das Recht auf Achtung der geschlechtlichen Identität, wenn diese vom Geschlechtseintrag abweicht.“

 

Worum geht es?

Dazu erklärt die Bundesregierung: „Mit dem Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag soll es insbesondere trans- und intergeschlechtlichen und nichtbinären Personen erleichtert werden, ihren Geschlechtseintrag und ihren Vornamen beim Standesamt ändern zu lassen. Die Änderung soll in Zukunft durch eine einfache Erklärung gegenüber dem Standesamt vorgenommen werden können.“

 

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Bislang müssen Betroffene ein aufwendiges Verfahren durchlaufen und sich dabei gegenüber den Behörden intimen Fragen aussetzen.

Das soll es nach Willen der Bundesregierung nicht mehr geben: „Eine gerichtliche Entscheidung über die Antragstellung – wie nach dem bisher geltenden Transsexuellengesetz – soll nicht mehr erforderlich sein. Auch die Notwendigkeit, zwei Sachverständigengutachten einzuholen, soll entfallen. Damit wird eine gesetzliche Vorgabe außer Kraft gesetzt, die von den Betroffenen häufig als entwürdigend empfunden wird. Stattdessen soll künftig eine Selbstauskunft mit Eigenversicherung ausreichen.“

 

Dies soll bereits für Minderjährige gelten: "Bis 14 Jahre sollen die Sorgeberechtigten die Änderungserklärung gegenüber dem Standesamt abgeben können; die Minderjährigen sollen sie nicht selbst abgeben können", erläutert die Bundesregierung. „Jugendliche ab 14 Jahre sollen die Änderungserklärung selbst abgeben können. Deren Wirksamkeit soll allerdings die Zustimmung der Sorgeberechtigten voraussetzen. Die Zustimmung soll durch das Familiengericht ersetzt werden können. Maßstab dabei soll – wie im Familienrecht allgemein – das Kindeswohl sein.“

 

Was soll außerdem beschlossen werden?
FAQ: Hintergrundinfos zum Gesetzentwurf vom Bundesgfamilienministerium

CDU/CSU: „Verunsicherung statt Rechtssicherheit“

Natürlich sind bei einem solch sensiblen Thema viele Bedenken und Gegenwind erwartbar.

Dazu erklärt beispielsweise der rechtspolitische Sprecher Günter Krings der CDU/CSU-Fraktion: „Schon die jetzige Rechtslage bietet ein Verfahren zur Änderung des Geschlechtseintrags, das vom Bundesverfassungsgericht mitgestaltet wurde. Dennoch nehmen wir den Wunsch von Betroffenen nach Änderungen ernst. Mit dem Selbstbestimmungsgesetz schlägt die Bundesregierung jedoch einen falschen Weg ein. Die vorgesehene bedingungslose und jährliche Wechselmöglichkeit ohne eine Beratungspflicht und auf bloßen Zuruf auf dem Standesamt wird der Bedeutung des Geschlechts in unserer Rechtsordnung nicht gerecht. Unverantwortlich ist vor allem das Fehlen jeglicher wirksamer Schutzvorkehrungen zugunsten von Kindern und Jugendlichen. Mit dem Gesetz wird der Eintrag eines Geschlechts in staatlichen Registern seinen Sinn und Zweck weitgehend verlieren. Die Probleme, die das Gesetz mit sich bringt, werden auf die Wirtschaft und Privatpersonen abgewälzt. Sie sollen über das Hausrecht die Probleme lösen und werden so in einen Konflikt mit dem Anti-Diskriminierungsrecht getrieben. Schutzräume vor allem für Frauen werden so faktisch verloren gehen. Statt Rechtssicherheit schafft die Ampel mit diesem Gesetz maximale Verunsicherung."

 

FDP: „Kein Problem mit dem Hausrecht“

Der queerpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Jürgen Lenders, hält am Hausrecht im Entwurf zum Selbstbestimmungsgesetz fest. „Ich glaube, dass das eher ein Vorteil ist und gerade für die betroffenen trans Personen ein Schutz vor falschen Anschuldigungen ist“, sagte Lenders am 11. August 2023 im ARD-Mittagsmagazin.

Durch das Hausrecht dürfen Eigentümer und Veranstalter Menschen aus sachlichem Grund abweisen. Die Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität nennt den Verweis aufs Hausrecht unnötig, die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman, bezeichnete ihn als überflüssig. Sie befürchten, dass das Hausrecht ausgenutzt werden könne, um trans Personen zu diskriminieren und auszuschließen. Demnach könne beispielsweise ein Fitnessstudio-Besitzer einer trans Person den Zutritt zu geschlechtergetrennten Umkleidekabinen verweigern, und dies mit dem Hausrecht rechtfertigen.

„Wir haben sehr sehr viele Zuschriften bekommen von Saunabetreibern, auch von Vereinen, die sich um Frauenhäuser kümmern, die sagen: Das ist in der Praxis überhaupt gar kein Problem“, so Lenders. „Hier wird ein Stück weit ein Problem aufgemacht, was in der Praxis überhaupt nicht da ist.“

 

Zusammenstellung: Achim Kaemmerer
Foto: Tumisu/Pixabay

 


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