Protestwoche der Landwirte und Speditionen: Wird die Versorgungskette lahmgelegt?
Demos gegen Belastungen bei Diesel und Maut – klare Distanz zu politisch extremen Gruppen
Bereits in den vergangenen Wochen haben tausende von Landwirtinnen und Landwirten unverkennbar und lautstark ihre Wut auf die Politik, insbesondere die kurzfristig beschlossene Streichung der Agrardiesel-Steuerrückvergütung, zum Ausdruck gebracht.
Nun aber will der Deutsche Bauernverband ein noch wuchtigers Ausrufezeichen setzen, und das in Kooperation mit dem Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung e.V. (BGL), dem LSV Deutschland e.V. (Landwirtschaft verbindet Deutschland) und dem Verband Spedition und Logistik Baden-Württemberg e.V. Denn die Transportunternehmen beschweren sich über eine „CO2-Doppelbelastung bei Maut und Diesel“, die „Energiesteuer auf erneuerbare Dieselkraftstoffe (HVO100)“ und die mangelhafte Investitionen in Straßen, Brücken und Parkplätze für LKW.
Zusammen wollen sie am 8. Januar 2024 eine „Protestwoche“ starten, deren Höhepunkt eine Groß-Kundgebung am 15. Januar 2024 um 11.30 Uhr am Brandenburger Tor in Berlin sein soll.
Diesmal könnte es die Bevölkerung noch deutlicher zu spüren bekommen.
***Update***
Die Bundesregierung hat offenbar eingelenkt und auf die Proteste, bzw. die Ankündigung reagiert.
So erklärte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir am 4. Januar 2024: "Die Agrardiesel-Beihilfe wird über mehrere Jahre abgeschmolzen: Im Jahr 2024 erfolgt eine Reduzierung des Entlastungssatzes um 40 Prozent. In den Jahren 2025 und 2026 wird jeweils eine weitere Reduzierung um 30 Prozent erfolgen, so dass für im Jahr 2026 verbrauchte Mengen keine Subvention mehr erfolgt. Die Rück-Vergütung der im Jahr 2023 verbrauchten Mengen im Jahr 2024 erfolgt unverändert."
Damit ist die Politik aber nur teilweise auf die Forderungen eingegangen. Der Bauernverband will daher am Plan festhalten. Die Nachbesserungen hält der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, für unzureichend: „Dies kann nur ein erster Schritt sein. Unsere Position bleibt unverändert: Beide Kürzungsvorschläge müssen vom Tisch. Es geht hier ganz klar auch um die Zukunftsfähigkeit unserer Branche und um die Frage, ob heimische Lebensmittelerzeugung überhaupt noch gewünscht ist. An unserer Aktionswoche halten wir daher weiter fest.“
Was ist geplant?
Wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland berichtet, sollen nicht nur Demonstrationen in den Landeshauptstädten organisiert, sondern auch Autobahnauf- und -abfahrten blockiert werden. Fünf große Logistikzentren des Einzelhandels sollen damit "quasi dichtgemacht" werden.
Könnte also bedeuten: Lieferketten werden unterbrochen, in den Supermärkten kann es zu Engpässen kommen. Daher lautet auch das Motto der Aktionswoche: „Ohne uns kein Essen“.
Hinzu kommt eventuell ein Streik bei der Deutschen Bahn, denn die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) will nach dem „Weihnachtsfrieden“ wieder den Arbeitskampf aufnehmen und u.a. für die 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich das Schienennetz zum Stillstand bringen. Das will der Bahn-Vorstand natürlich verhindern, u.a. durch eine Feststellungsklage beim Hessischen Landesarbeitsgericht über die „Tariffähigkeit“ der GDL. Es ist aber nicht damit zu rechnen, dass es bis zum geplanten Streikbeginn eine Entscheidung gibt.
Wird Deutschland also zum „erliegen“ kommen?
„Mittelstandsfeindliche Politik fährt Deutschland an die Wand“
„Die Landwirtschaft und Transportwesen halten unser Land am Laufen“, heißt es auf der gemeinsamen Seite der vier Verbände. „Wir stehen zusammen gegen die einseitigen und ungerechten Kürzungspläne der Bundesregierung und weitere Belastungen, die unsere Betriebe nicht mehr stemmen können. Es ist Zeit aufzustehen, gegen die geplanten Lasten, die unsere Betriebe und am Ende alle Verbraucher treffen.“
Der Deutsche Bauernverband fordert:
- Rückkehr zur Agrardiesel-Steuerrückvergütung
- Beibehaltung der KFZ-Steuerbefreiung für land- und forstwirtschaftlich genutzte Fahrzeuge
- Förderung der Umstellung auf erneuerbare Kraftstoffe
- Keine Energiesteuer auf erneuerbare Dieselkraftstoffe (HVO100)
- Keine Benachteiligungen im europäischen Wettbewerb
- konsequenter Abbau von Bürokratie in allen Bereichen der Agrarpolitik
BGL-Vorstandssprecher Prof. Dr. Dirk Engelhardt erklärt: "Das Maß ist voll! Mit ihrer planlosen und mittelstandsfeindlichen Politik fährt die Ampelregierung Deutschland vor die Wand!"
Die Forderung der Spediteure:
- Ende der CO2-Doppelbelastung bei Maut und Diesel
- Verdopplung des De-Minimis Programms
- Mehr Geld für die Infrastruktur
- ebenfalls Förderung der Umstellung auf erneuerbare Kraftstoffe, keine Energiesteuer auf erneuerbare Dieselkraftstoffe (HVO100)
„Demo Ja – aber kein Generalstreik!“
Die angekündigte Protestwoche wird aber auch von einem Schatten begleitet: Kritik an der Bundesregierung ist natürlich zulässig, doch auch politisch extreme Gruppierungen wollen offenbar die Aktionen zum eigenen Nutzen und Widerstand gegen den "verhassten Staat" nutzen.
Das haben auch die Organisatoren mitbekommen. So erklärt der Bauernverband auf seiner Facebook-Seite: „Demonstrieren? Ja. Aber wir stehen für friedlichen und demokratischen Protest! In aller Deutlichkeit distanzieren wir uns von extremen Randgruppen, Schwachköpfen mit Umsturzfantasien, Radikalen und Spinnern, die unsere Aktionswoche kapern wollen. Nicht mit uns!“
Und der BGL ergänzt: „Wir distanzieren uns deutlich von einem möglichen Generalstreik.“
Denn diesen Begriff wollen die Initiatoren ausdrücklich nicht verwenden.
PETA kritisiert: "Branche macht satte Gewinne, Subventionen der Tierindustrie ist eine Schande"
Eine ganz andere Sichtweise hat die Tierschutzorganisation PETA auf den Streit. Die Agrarwissenschaftlerin und Fachreferentin für Tiere in der Agrarindustrie Scarlett Treml kritisiert: "Die Branche hat in den vergangenen Jahren satte Gewinne eingestrichen und wird trotz der geplanten Kürzungen weiterhin großzügig subventioniert. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hat sich der Scharade des Bauernverbands gebeugt. Wir sprechen hier von maximal 4000 Euro pro Betrieb pro Jahr, auf die die Landwirte nicht zu verzichten bereit sind - und dies nun auch erstmal nicht müssen."
PETA fordert "Subventionskürzungen, die die Tierwirtschaft in die Knie zwingen. Dass die Tierindustrie überhaupt noch massiv gefördert statt endlich abgebaut wird, ist eine Schande: 13 Milliarden Euro Subventionsgelder werden jährlich in eine todbringende und ohnehin sterbende Industrie gepumpt, die ohne haufenweise Zuschüsse längst nicht mehr fortbestehen könnte. Dieses System, das nur Profitmaximierung kennt, hat schlichtweg keine Zukunft: an den aktuellen Bauernprotesten sehen wir, dass sein Scheitern längst Realität ist. Was wir von unseren Regierenden brauchen, ist ein klares Bekenntnis zur pflanzlichen Agrar- und Ernährungswende."
Erforderlich seien außerdem "großzügige Ausstiegshilfen und umfangreiche Beratungsinstrumente, um Landwirtinnen und Landwirte aus dem ausbeuterischen und zerstörerischen System der Tierwirtschaft hinauszubegleiten", so Treml. "Steuern hoch und Subventionen runter auf tierische Produkte; Steuern runter und Subventionen hoch auf pflanzliche Lebensmittel muss die Devise hier lauten. Nicht zuletzt, weil die landwirtschaftliche Tierhaltung maßgeblich die Klimakatastrophe anfeuert. Die maximale Ausbeutung fühlender Lebewesen und die nachweisliche Zerstörung unserer Lebensgrundlagen dürfen nicht länger subventioniert werden."
Bericht: Achim Kaemmerer
Fotos: K. Paulick/Ralphs_Fotos / Pixabay / Montage: anzeiger24.de
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