Landtagswahlen im Osten: AfD triumphiert – Ampel-Koalitions-Parteien abgestraft
01.09.2024Auch Die Linke erleidet Verluste – Zumindest die CDU konnte sich behaupten
Es war ein politisches Erdbeben am Wahlsonntag, 1. September 2024. Aber man musste kein Seismologe sein, um das vorauszusehen: Bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen hat die AfD ordentliche Prozentpunkte hinzugewinnen können. Die „Ampel-Koalitions-Parteien“ SPD. Grüne und FDP, aber auch Die Linke (und Ministerpräsident Bodo Ramelow in Thüringen) wurden regelrecht abgestraft. Das gerade erst gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) konnte Achtungserfolge verbuchen. Von den „Altparteien“ konnte sich lediglich die CDU behaupten, wurde in Sachsen mit einem hauchdünnen Vorsprung sogar stärkste Kraft.
Sachsen
Stimmenanteil, inkl. Gewinne und Verluste (gegenüber 2019)
- CDU 31,9% (-0,2%)
- AfD 30,6% (+3,1%)
- BSW 11,8% aus dem Stand heraus
- SPD 7,3% (-0,4%)
- Grüne 5,1% (-3,5%)
- Die Linke 4,5% (-5,9%)
Sitzverteilung
- CDU 42
- AfD 41
- Die Linke 6
- Grüne 6
- SPD 6
- FW 1
- BSW 15
insg. 120 Sitze
Mögliche Koalitionen
- CDU und AfD
- CDU, SPD und BSW
- CDU, Grüne und BSW
Die CDU, die jetzt an der Spitze steht, hat eine politische „Brandmauer“ zur AfD aufgestellt und sollte daher nicht mit der AfD zusammenarbeiten, wenn sie ihr Versprechen halten will.
Da es zu den anderen Parteien wenig Schnittpunkte gibt, stellt sich die Frage, wie eine stabile Mehrheit im Landtag zustande kommen soll.
Thüringen
Stimmenanteil, inkl. Gewinne und Verluste (gegenüber 2019)
- AfD 32,8% (+9,4%)
- CDU 23.6% (+1,9%)
- BSW 15,8% aus dem Stand heraus
- Die Linke 13,1% (-17,9%)
- SPD 6,1% (-2,1%)
- Grüne 3,2% (-2%), nicht mehr im Landtag vertreten
Die FDP schaffte es in beiden Ländern nicht, Mandate für den Landtag zu gewinnen.
Sitzverteilung
- AfD 32
- CDU 23
- BSW 15
- Die Linke 12
- SPD 6
insg. 88 Sitze
Mögliche Koalitionen
- AfD und CDU
- AfD und BSW.
- CDU, BSW und Die Linke
Da es aber zwischen diesen Parteien keine allzu großen politischen Schnittpunkte gibt und keine Partei mit der AfD (und insbesondere ihrem Landeschef Björn Höcke) koalieren oder kooperieren möchte, stellt sich die Frage: Was nun?
AfD: „Ohne uns keine Regierungsbildung möglich“
Dennoch erhebt die AfD aufgrund der Stimmenanteile und Gewinne einen (Mit-)Regierungs-Anspruch.
So erklärte beispielsweise der sächsische AfD-Spitzenkandidat Jörg Urban im Sender phoenix, dass seine Partei „für Gespräche mit anderen Parteien offen sei, die etwas Gutes für Sachsen tun“, wollen.
In vielen Kommunen des Landes arbeite man mit anderen Parteien gut zusammen. Insofern setze er auf einen „Sinneswandel der übrigen Fraktionen im Landtag“, die vor der Wahl erklärt hatten, nicht mit der AfD reden zu wollen. „Selbstverständlich“ werde man auch mit dem BSW reden: „Wenn man Schnittmengen hat, dann sollte man das gemeinsam machen, und das muss man nicht unbedingt in einer Koalition machen."
Der alte und wohl neue sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), ist „sehr zufrieden“ mit dem Ergebnis: „Man merkt: die Sachsen haben nicht protestgewählt“, sagte er im Fernsehsender phoenix. Die Gespräche zur Regierungsbildung werden aber natürlich „nicht einfach“, aber: „Das Fundament ist da“.
Die AfD-Bundesvorsitzende Alice Weidel pocht darauf, in Thüringen den zukünftigen Ministerpräsidenten zu stellen: „Es ist ganz klar, dass Herr Höcke einen Regierungsauftrag bekommen hat als stärkste Kraft. Die Menschen wollen, dass wir als AfD in der Regierung sitzen und dagegen sollte man sich nicht länger sperren“, sagte sie im Fernsehsender phoenix.
Gegen ihre Partei könne „keine stabile Regierung gebildet“ werden. Die Union müsse „verstehen, dass sie sich mit ihrer Verweigerungshaltung selbst schwäche“ und „in eine strategische Sackgasse“ laufe, weil sie nur noch mit linken und grünen Parteien Regierungsmehrheiten bilden kann.
Das sieht selbstredend auch Höcke so: „Als stärkste Kraft habe ich den Anspruch, die Regierung zu bilden“, erklärte er im Fernsehsender phoenix: „Von Thüringen ist ein großes Signal gesendet worden. Die Menschen wollen Veränderung.“ Und: „Wir sind gut beraten, das Kriegsbeil zu begraben und zu erkennen, dass es gegen die stärkste Kraft in Thüringen keine stabile Mehrheit gibt." In Richtung CDU erklärte Höcke:: „Unsere Hand ist ausgestreckt. Wir sind auch bereit, Kompromisse einzugehen. Und ich kann nur hoffen, dass der eine oder ins Nachdenken gerät und erkennt, dass die Brandmauer-Strategie gescheitert ist.“ Entscheidend sei, dass eine neue Regierung „die Themen anpacke, die den Menschen unter den Nägeln brennen“ würden, etwa bei der Migration.
Der gescheiterte Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) will nach den Landtagswahlen all die ihm zu Verfügung stehenden Mittel einsetzen, um eine Mehrheitslandesregierung zu ermöglichen: „Es braucht eine handlungsfähige Landesregierung, auch wenn ich ihr nicht mehr angehören werde“, so Ramelow beim Fernsehsender phoenix. „Ich bekämpfe nicht das BSW, ich bekämpfe nicht die CDU. Ich bekämpfe die Normalisierung des Faschismus." Er wolle deshalb dafür sorgen, „dass wir keine parlamentarische Erpressungssituation erleben, bei dem die AfD alle anderen Parteien vor sich hertreibt“.
Der Linken-Vorsitzende Martin Schirdewan sprach im Fernsehsender phoenix von einem „in mehrfacher Hinsicht bitteren Wahlabend“, denn: „Wir erleben das erste Mal nach dem Zweiten Weltkrieg, dass eine im Kern faschistische Partei in einem Bundesland die Mehrheit erringt.
Und was sagen die „Ampel-Parteien“?
Die SPD-Parteivorsitzende Saskia Esken räumt ebenfalls bei phoenix ein, ihrer Partei sei es „nicht gelungen, die Menschen mit unseren Botschaften und unseren Themen zu erreichen".
Mit Blick auf die Ampelkoalition habe diese laut Esken es ebenfalls nicht geschafft, "bei den Menschen Vertrauen zu erzeugen und vor allem auch die Zuversicht, dass wir das, was wir sagen, auch durchsetzen können, umsetzen können."
Ihre Schlussfolgerung: „Deswegen müssen wir noch stärker werben, erklären, nach draußen gehen.“
Soll wohl heißen: Die Ampel, bzw. die SPD mache schon alles gut, die Menschen verstehen es nur nicht richtig.
Der Parteivorsitzende von Bündnis 90/Grüne, Omid Nouripour, hat erkannt, dass unter anderem die bundesweite Diskussion über Flüchtlingsströme und deren Bewältigung den Wahlausgang in Sachsen und Thüringen beeinflusst haben: „Es ist offensichtlich, dass auf den letzten Metern Migration und die Frage des Friedens in der Ukraine eine große Rolle gespielt haben", erklärte Nouripour im Fernsehsender phoenix. Die Regierung in Berlin nehme sich der Probleme zwar an, „aber wir haben einen Malus, dadurch, dass diese Koalition zwar liefert, aber selbst auf offener Bühne alles zerredet und durch überflüssigen Streit kaputtmacht".
Man werde sich auch künftig den großen Herausforderungen stellen und politische Lösungen erarbeiten. "Und wir werden hoffen, auch wenn die Hoffnung nicht groß ist, dass wir mit Streit nicht alles kaputtreden." Den AfD-Wahlsieg bezeichnete Nouripour als „Zäsur". Erstmals sei eine „offen rechtsextreme Partei", stärkste Kraft in einem Bundesland geworden. "Das ist nicht so leicht zu verdauen", meinte der grüne Bundesvorsitzende.
Zusammenstellung: Achim Kaemmerer
Quellen: tagesschau, phoenix, Landeswahlleiter Thüringen und Sachsen
Fotos: U.Driesel/andreas160578 / Pixabay
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