
„Containern“ kontrovers: Ist Lebensmittel-Rettung aus Müll wirklich eine Straftat?
Ampel-Minister Buschmann und Özdemir fordern Gesetzesänderung
Für viele Menschen klingt es absurd: Haufenweise landen täglich nicht mehr verkäufliche Lebensmittel in den Mülltonnen der Supermärkte. Sie haben keinen Wert mehr für das Geschäft, könnten aber teilweise noch für den Verzehr geeignet sein.
Es ist aber eine Straftat, anschließend, bzw. meistens nachts, diese Essensreste aus den Behältern wieder heraus zu holen – das sogenannte „Containern“.
Juristisch gesehen ist es Diebstahl, weil die Reste ja trotzdem noch dem Supermarkt gehören. Formal also korrekt, doch mit gewissen Moralvorstellungen (Lebensmittelverschwendung) nicht ganz nachvollziehbar.
Wie also mit dem Dilemma umgehen?
Politische Debatte angestoßen
Inzwischen meldet sich auch die Politik zu Wort. So erklärte beispielsweise Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) vor wenigen Tagen in der Rheinischen Post: „In Deutschland landen viel zu viele Lebensmittel im Müll, insgesamt rund elf Millionen Tonnen und mehr als die Hälfte leider in privaten Haushalten. (…) Wir müssen deshalb pragmatisch schauen, wo wir ansetzen können. (…) Wer noch verzehrfähige Lebensmittel aus Abfallbehältern retten will, sollte dafür nicht belangt werden. Ich glaube, wir alle wünschen uns, dass sich unsere Polizei und Gerichte stattdessen um Verbrecherinnen und Verbrecher kümmern.“
Inzwischen pflichtet ihm auch Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) prinzipiell bei. Auf Twitter schreibt er: „Wenn sich Menschen weggeworfene Lebensmittel mit nach Hause nehmen, ohne dabei eine Sachbeschädigung oder einen Hausfriedensbruch zu begehen, muss das meiner Meinung nach nicht weiter strafrechtlich verfolgt werden.“
Bis jetzt sind dies nur Ankündigungen. Wie geht es jetzt weiter?
Laut tagesschau „werben Buschmann und Özdemir [in einem Schreiben an die Landesjustizministerien] dafür, einen Vorschlag des Landes Hamburg von 2021 zu unterstützen: Wer auf der Suche nach noch verzehrfähigen Lebensmitteln ein Tor aufhebelt und beschädigt, müsste weiterhin mit einer Strafe rechnen. Wer aber über eine niedrige Mauer steigt, um an den Abfallcontainer eines Supermarktes zu gelangen, soll nicht mehr belangt werden.“
Warum ist Containern eine Straftat?
Juristen können sich vorerst auf eine höchstrichterliche Grundsatzentscheidung berufen: Im August 2020 hatte das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerden von zwei Personen, die wegen Lebensmittel-Diebstahls aus Supermarkt-Containern strafgerichtlich zu acht Stunden gemeinnütziger Arbeit bei einer Tafel verurteilt wurden, nicht zur Entscheidung angenommen. Die Beschwerden seien unbegründet.
Warum?
Der Gesetzgeber dürfe „das zivilrechtliche Eigentum grundsätzlich auch an wirtschaftlich wertlosen Sachen strafrechtlich schützen“ – auch vor einer Wegnahme, heißt es in der Presseerklärung dazu: „Aus dem Umstand, dass die Lebensmittel zur Entsorgung in einen Abfallcontainer geworfen worden seien, folge nicht zwingend, dass dem Eigentümer das weitere Schicksal der Sache gleichgültig sei. Eine Eigentumsaufgabe komme vielmehr nur dann in Betracht, wenn der Wille vorherrsche, sich der Sache ungezielt zu entäußern. So liege der Fall hier jedoch nicht“.
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Bericht: Achim Kaemmerer
Foto: Colour/M.Schwarzenberger / Pixabay / Collage: anzeiger24.de
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