Fünf Jahre nach Corona-Ausbruch: Aufarbeitung dringend notwendig – aber wie?

11.03.2025

Tiefe Gräben und Konflikte – WDR und ZDF zeigen Dokus – Politiker räumen teilweise Fehler ein

Das Jahr 2020 hat eine Zäsur gesetzt: Auf einmal hat ein Virus (COVID-19, SARS-CoV-2, später verkürzt als „Corona“ bezeichnet) nicht nur die deutsche Gesellschaft, sondern gleich die ganze Weltstruktur aus den Angeln gehoben. Bereits zu Anfang des Jahres wurden erste Fälle bekannt. Am 11. März 2020 hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Lage als „Pandemie“ eingestuft. Die Folgen haben alle zu spüren bekommen: Ausgangssperren, Maskenpflicht, die Debatte um die Impfung und die Frage, wie „heftig und gefährlich“ das Virus überhaupt ist (manche Zeitgenossen behaupten noch immer, Corona hätte es „nie gegeben“), hat zu krassen Verwerfungen geführt. In der Politik, in der Gesellschaft, sogar im eigenen Familien- und Freundeskreis haben sich tiefste Gräben und Konflikte aufgetan.

 

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Seit rund zwei Jahren ist der Spuk vorbei. Doch einen Schlussstrich ziehen – das wollen viele Menschen nicht und fordern endlich eine Aufarbeitung, etwa von der Wissenschaft und von den Bundes- und Landesregierungen.

Was ist gut gelaufen, wo gab es Fehler oder gar Versagen?

 

ARD DeutschlandTrend: Wie die Pandemie großen Streit ausgelöst hat

Zum Jahrestag des offiziellen Corona-Ausbruchs hat der ARD DeutschlandTrend für den WDR-Podcast „CUT“ eine repräsentative Umfrage veröffentlicht.

 

Wichtige Ergebnisse:

  • Fast jeder Zweite (46 %) hat angegeben, dass er mit Freunden oder Familienmitgliedern ernsthafte Meinungsverschiedenheiten im Zusammenhang mit der Pandemie hatte.
  • Bei fast jedem Fünften (17 %), bei dem es zu Konflikten gekommen ist, führte das zu einem zeitweiligen Kontaktabbruch. Rund 8 % der Betroffenen sagten, sie hätten "bis heute keinen Kontakt" mehr.
  • Das mit Abstand größte Streitthema war laut Umfrage die Corona-Impfung. 52 Prozent der Befragten haben angegeben, dass das der Hauptgrund für Streits war.
  • 32 % haben sich über die Corona-Einschränkungen gestritten.
  • Weniger große Streitpunkte waren die Corona-Proteste (6 %) und die Herkunft des Virus (5 %).
  • Je nach Parteianhängerschaft und Alter waren die Konflikte auch unterschiedlich stark ausgeprägt. So gab etwa eine Mehrheit von 57 % der AfD-Anhänger an, ernsthafte Meinungsverschiedenheiten gehabt zu haben – bei SPD-Anhängern sind es nur 36 %. Bei den unter 35-Jährigen hatten 58 % ernsthafte Meinungsverschiedenheiten, bei den über 65-Jährigen nur 33 %.

 

Der WDR-Podcast „CUT“ hat auch einige Entscheidungsträger aus der Corona-Zeit befragt.

So erklärt beispielsweise Michael Müller (SPD), damals Regierender Bürgermeister von Berlin und Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK), in der zusammen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel die Einschränkungen für die Bevölkerung beschlossen wurden: „Was ich im Nachhinein sehr selbstkritisch sehe, ist, dass wir wirklich kaum die harte Situation für die jungen Erwachsenen, für die Studierenden, betrachtet haben.“

 

Auch der Virologe Christian Drosten, quasi das „Aushängeschild der Pandemie-Erklärer“, hält manche Entscheidungen der Politik aus heutiger Sicht für zu übereilt: „Ich wurde ein bisschen von den politischen Maßnahmen überrascht. Es ging irgendwie dann viel rabiater und schneller zur Sache, als ich mir das vorstellen konnte.“

 

ZDF-Doku: „Offene Rechnung“

Und auch das ZDF hat eine Dokumentation zur Aufarbeitung der Corona-Zeit erstellt: „Am Puls mit Sarah Tacke – Meine offene Rechnung mit Corona“ heißt die Sendung, die am Mittwoch, 12. März 2025, um 22.15 Uhr gezeigt wird und auch in der Mediathek abrufbar ist.

„Die Politik ist auch fünf Jahre danach noch immer uneins, wie die Coronazeit aufgearbeitet werden soll“, heißt es darin.

 

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, der damals von den Medien zum „Corona-Experte“ erklärt und in diverse Talkshows eingeladen wurde, fordert eine Aufarbeitung im Koalitionsvertrag einer neuen Bundesregierung: „Wir haben uns in der Ampel leider nicht darauf einigen können, aber es muss sehr schnell jetzt beschlossen werden. Das gehört mit zu den ersten Dingen, die wir als Regierung, wenn wir mitregieren sollten, machen müssten.“

 

Jens Spahn, der bis 2021 als Gesundheitsminister viele Entscheidungen zu verantworten hatte, kommt ebenfalls zu Wort: „Ich hätte mir gewünscht, dass die Ampel, die Noch-Regierung eine Aufarbeitung gemacht hätte. Stand jetzt, fünf Jahre nach Pandemie-Beginn, sind wir nicht wirklich besser vorbereitet, als wir 2020 waren. Insofern Aufarbeiten im Sinne von 'Lehren ziehen', 'Lernen für die Zukunft' wäre gut. Ich hoffe, dass der neue Deutsche Bundestag einen Weg findet."

 

Beide Politiker räumen in der Dokumentation „Fehler im Umgang mit der Pandemie“ ein. So sagt Karl Lauterbach: „Rückwirkend waren die Schulschließungen einfach zu radikal und die haben wir zu lange durchgezogen.“

Jens Spahn ergänzt: „In dieser Pandemie lag jeder mal falsch.“ Mit am meisten gelitten unter den Einschränkungen – und möglicherweise auch mit den längsten Folgen für ihr Leben – hätten Kinder und Jugendliche.

 

Und die Medien?

Auch die Medien haben eine hohe Verantwortung zu tragen gehabt. In einer kuriosen Zeit, in der sich plötzlich viele Menschen als „Virus-Experten“ verstanden, hatten sie die Aufgabe, die beschlossenen Maßnahmen von der Regierung und die Aussagen der Wissenschaft an die Bevölkerung zu transportieren – und ggf. kritisch zu hinterfragen.

 

Auch dabei ist vieles schief gelaufen. Dabei wurden die Stimmen der Skeptiker und der Zweifler, deren Kritik teilweise berechtigt war, oftmals unterdrückt. Es hat aber auch reichlich Wasser auf die Mühlen der Verschwörungstheoretiker und „Corona-Leugner“ geschüttet, die mit ihren Phantasien („Neue Weltordnung“, „Unterdrückung“, „Chip-Implantate in den Impfspitzen“) noch mehr Verwirrung gestiftet haben – und deren Behauptungen übrigens nicht eingetreten sind.

Es sollte sich also jede Zeitung, jeder Sender, jedes Online-Portal selbst noch einmal hinterfragen, wie sie in den drei Jahren mit der Situation umgegangen ist.

 

Und was ist mit anzeiger24.de?

Wir haben bereits im April 2023 selbstkritisch zurück geblickt. Auch wir haben uns teilweise zu sehr auf die Parolen der Politik verlassen, haben aber auch nicht alles hingenommen und manch unbequeme Fragen gestellt.

Hier haben wir unsere Berichte aus drei Jahren Corona-Zeit sortiert und offen dargelegt.

 

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Was bleibt also?

Ein berühmter – und sicherlich richtiger – Satz von Jens Spahn lautete einst: „Wir werden einander einmal viel verzeihen müssen.“

Was aber wichtiger ist: Wir sollten aus den Fehlern lernen – und damit sind alle gemeint, die sich gegenseitig beschimpft haben. Niemand konnte die "reine Wahrheit" für sich reklamieren.

 

Wenn also die Pandemie aufgearbeitet werden soll, dann bitte möglichst sachlich, ohne Nachtreten. Das wird vielen Menschen nicht leicht fallen, die unter den Maßnahmen gelitten und deren ihre Existenz sogar gefährdet wurde.

Aber Hass ist keine gute Grundlage für eine Rückbesinnung – so wie das Schüren von Angst keine gute Strategie war.

 

Bericht: Achim Kaemmerer

Archivfotos/Montage: anzeiger24.de

 


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