„Biodeutsch“ ist das Unwort des Jahres 2024

13.01.2025

Sprach-Jury: Deutsche mit Migrationsbiografie werden von vermeintlich „echten“ Deutschen abgegrenzt und abgewertet.

Die Jury der Aktion „Unwort des Jahres“ vom Institut für Germanistische Sprachwissenschaft in Marburg hat den Ausdruck „biodeutsch“ zum Unwort des Jahres 2024 gekürt. Der Begriff, der zunehmend in öffentlichen Diskursen und sozialen Medien verwendet wird, dient laut Jury der rassistischen Einteilung und Abwertung von Menschen basierend auf vermeintlichen biologischen Abstammungskriterien.

 

„Ein rassistisches Konstrukt“

Das Wort „biodeutsch“ kombiniert das Präfix „bio“ (für biologisch) mit dem Eigenschaftswort „deutsch“ und suggeriert eine naturbezogene Grundlage für „Deutschsein“. Ursprünglich ironisch-satirisch geprägt, hat sich die Bedeutung des Begriffs gewandelt. Heute wird er häufig wörtlich verwendet, um Deutsche mit Migrationsbiografie von vermeintlich „echten“ Deutschen abzugrenzen und abzuwerten.
Die Jury betont, dass diese Verwendung eine Form des Alltagsrassismus darstellt. Mit Begriffen wie „biodeutsch“, „Passdeutsche“ oder „echte Deutsche“ werde versucht, rechtlich gleiche Menschengruppen hierarchisch zu klassifizieren. Damit werde die Idee von demokratischer Gleichheit und Inklusion untergraben.

„Durch die nicht-ironische Verwendung wird ein biologischer Zusammenhang von Nationalität und ‚Deutschsein‘ imaginiert, den es nicht gibt“, so die Jury. Dieser diskriminierende Sprachgebrauch privilegiert eine imaginäre Gemeinschaft von „Biodeutschen“ und schließt andere Gruppen aus.

 

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2. Platz: „Heizungsverbot“

Den 2. Platz in der Unwort-Wahl 2024 belegte der Ausdruck „Heizungsverbot“. Er wird im Zusammenhang mit dem reformierten Gebäudeenergiegesetz verwendet und suggeriert fälschlicherweise, dass das Heizen oder Heizungen generell verboten würden. Tatsächlich regelt das Gesetz den Neueinbau fossiler Heizungssysteme zugunsten umweltfreundlicher Alternativen. Die Jury kritisiert die absichtliche Irreführung, die klimaschützende Maßnahmen diskreditiere.

 

Persönliches Unwort: „importierter Antisemitismus“

Die Gäste der Jury, die Publizistin Saba-Nur Cheema und der Historiker Meron Mendel, wählten den Begriff „importierter Antisemitismus“ als persönliches Unwort. Der Ausdruck suggeriere, dass Judenhass vor allem durch Migration aus arabischen Ländern nach Deutschland gelangt sei. Die Jury bemängelt, dass der Begriff Muslime und Menschen mit Migrationsbiografie ausgrenze und vom eigenen Antisemitismus ablenke.

 

Vielfältige Einsendungen

Für das Jahr 2024 gingen 3172 Einsendungen mit 655 unterschiedlichen Begriffen ein. Häufig genannte Begriffe waren unter anderem „Nutztier“, „Technologieoffenheit“ und „kriegstüchtig“. Rund 80 Einsendungen entsprachen den Kriterien der Jury, die seit 1991 jährlich das Unwort des Jahres wählt.

Die ehrenamtliche Jury setzt sich aus Sprachwissenschaftler:innen und einer Journalistin zusammen. Ergänzt wird sie jedes Jahr durch wechselnde Gäste. Mit ihrer Wahl will die Jury auf problematische und diskriminierende Sprachentwicklungen aufmerksam machen und zu einem sensibleren Sprachgebrauch anregen.

 

Quelle: Institut für Germanistische Sprachwissenschaft Philipps-Universität Marburg

 


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