Zu wenig Organspender: Ist Widerspruchsregelung die Lösung?

25.06.2024

Bundestagsabgeordnete initiieren parteiübergreifenden Gesetzentwurf – Patientenschützer haben rechtliche Bedenken

„In Deutschland warten 8.500 Menschen auf ein Spenderorgan. 84% der Befragten sehen Organspenden positiv. Aber Jahr für Jahr bleiben die Zahl der gespendeten Organe und der Transplantationen weit hinter dem Bedarf zurück“, sagt die Bundestagsabgeordnete Petra Sitte (Die Linke). „Täglich sterben Erkrankte, weil es für sie rechtzeitig kein Spenderorgan gab.“

Eine parteiübergreifende Gruppe von Kolleginnen und Kollegen im Bundestag möchte dem nicht länger zusehen und reichte am 24. Juni 2024 deshalb einen gemeinsamen Gesetzentwurf zu einer neuen Widerspruchsregelung ein. Demnach soll gelten: „Wer nicht widerspricht, kann nach dem Tod automatisch Organspender werden.“ Die Menschen müssen also aktiv widersprechen, wenn sie nicht wollen, dass ihnen nach ihrem Ableben Organe entnommen werden.

Hier geht’s zur Gesetzentwurf-Vorlage.

 

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Außerdem gibt es bereits einen Vorstoß des Landes NRW für eine Bundesrats-Initiative.

„Diskrepanz zwischen Spendewilligen und tatsächlichen Spenden auflösen“

Dr. Christoph Hoffmann MdB (FDP) erklärt seinen Beweggrund: „Es gibt eine Diskrepanz zwischen Spendewilligen in der Bevölkerung und tatsächlichen Spendern. Auf ca. 8.500 Menschen, die pro Jahr auf ein Organ warten, kommen nur etwa 1.000 Organspender. Diesen Widerspruch gilt es aufzulösen. In Spanien und Österreich gibt es wegen der dortigen Widerspruchsregelung ein weit höheres Spendenaufkommen."

 

Petra Sitte ergänzt: „Diese Hilfe für die Betroffenen rettet oft genug Leben – und niemand von uns weiß, ob er oder sie nicht beizeiten selbst solche Hilfe braucht. So schützen wir das Grundrecht auf Schutz des Lebens. Und wir helfen Menschen, die sonst mit schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen leben müssen oder ohne Spenderorgan gar keine Überlebenschance haben. Deshalb ist die Widerspruchslösung der richtige Weg.“

 

Patientenschützer: „Jeder medizinische Eingriff ohne Zustimmung ist Körperverletzung“

Patientenschutz-Organisationen warnen allerdings vor der Einführung einer solchen Widerspruchsregelung, halten sie sogar für verfassungswidrig. So erklärt beispielsweise der Vorsitzende der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, in der „Augsburger Allgemeinen“ am 24. Juni 2024: Grundsätzlich sei jeder medizinische Eingriff ohne Zustimmung des Betroffenen eine Körperverletzung. Und: „Wer schweigt, stimmt nicht automatisch zu.“

 

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Dem Hinweis auf die anderen Länder mit geltender Widerspruchsregelung kontert Brysch: Die Politik müssen „finanzielle Anreize für Krankenhäuser“ setzen, um ein „effizientes Transplantations-Netzwerk, Bildungsprogramme und die Schulung von Koordinatoren im Umgang mit Angehörigen“ aufzustellen.

 

Der Kritik entgegnet MdB Dr. Hoffmann: „Mit der Widerspruchsregelung wird die Selbstbestimmung nicht infrage gestellt. Die Bürger könnten künftig von ihrem Recht auf Widerspruch Gebrauch machen. Es gilt Freiheit und Verantwortung zu vereinbaren. Verantwortung für die, die um ihr Leben Kämpfen.“

 

Bericht: Achim Kaemmerer
Foto: sasint/Pixabay / anzeiger24.de

 


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