Krankenhausreform: NRW-Modell soll bundesweit angewandt werden

01.06.2023

Minister Lauterbach: „Durchbruch“ – Bundesärztekammer: „Finanzierung und Vergütungsreform weiterhin unklar“

„Wir haben heute einen Durchbruch erreicht. Wir haben uns auf die Grundstrukturen der Krankenhausreform geeinigt“, erklärte Bundesgesundheitsminister Prof. Lauterbach nach der Gesundheitsministerkonferenz am 1. Juni 2023 mit seinen Amtskolleginnen und -kollegen aus den Bundesländern. „Es wird Vorhaltepauschalen und Leistungsgruppen mit dahinterliegenden Qualitätskriterien geben. Wir wollen entbürokratisieren, wir wollen die Qualität verbessern und gleichzeitig aber auch ent-ökonomisieren. Die Patienten müssen wieder im Mittelpunkt stehen.“

Noch im Sommer 2023 soll die Arbeit am Referentenentwurf für ein Gesetz zu einer neuen gesamtdeutschen Krankenhausplanung beginnen. Die Reform könne dann im Januar 2024 starten.

 

„Modellierungen zeigten, dass das System der Leistungsgruppen aus NRW mit den dahinterliegenden Qualitätskriterien zur Krankenhausplanung auch auf Bundesebene angewandt werden kann“, so Lauterbach. „Weit über 95 Prozent aller Krankenhausfälle konnten mit diesem System zugeordnet werden.“ 

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Sehr viel konkrekter wurden die Ankündigungen allerdings nicht...

 

Existenzbedrohung durch Fallpauschalen: Regierungskommission soll Vorschläge erarbeiten

Ziel der Krankenhausreform sei es, „unnötige Klinikschließungen zu vermeiden und flächendeckend eine qualitativ hochwertige Versorgung auch in ländlichen Regionen sicherzustellen“.

 

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„Das System der Fallpauschalen hat die Krankenhäuser zu stark ökonomischen Zwängen ausgesetzt. Viele Krankenhäuser sind von der Schließung bedroht, wenn sich nichts ändert“, sagt Lauterbach. "Deswegen wurde eine Regierungskommission eingesetzt, die Vorschläge erarbeitet, die dann von Bund, Ländern und Fraktionen in einem vereinbarten Verfahren konkretisiert werden. Ziel ist es, den Krankenhäusern Pauschalen für die Vorhaltung einer guten Versorgung zu geben. Die Länder können dann besser planen, wo Krankenhäuser gebraucht werden.“

 

Ärztepräsident fordert zügige Umsetzung und stimmiges Konzept

Bundesärztekammer-Präsident Dr. Klaus Reinhardt fordert nach den Bund-Länder-Gesprächen, die konsentierten Reformelemente für die Krankenhauplanung „möglichst zügig“ umzusetzen: „Große inhaltliche Fortschritte sind in den heutigen Beratungen zwischen Bund und Ländern offenbar noch nicht erzielt worden.“

 

Der Bundesärztekammer-Präsident fordert, dass die Landesärztekammern und die Bundesärztekammer strukturiert einbezogen werden: „So wie es kein gutes Krankenhaus ohne die richtigen Ärzte geben kann, kann es auch keine erfolgreiche Krankenhausreform ohne den sektorenübergreifenden Sachverstand der Ärztekammern geben. Das gilt umso mehr mit Blick auf die neuen sektorenübergreifenden Strukturen wie Level-Ii-Kliniken oder Primärversorgungszentren."

 

Sorgen bereitet dem Präsidenten der Bundesärztekammer weiterhin die Finanzierung der Reform: „Es liegt kein stimmiges Konzept für die Reform der Krankenhausvergütung vor. So richtig der Gedanke ist, weniger für die Fälle zu bezahlen und mehr für die Vorhaltung von Personal und Geräten, so wenig können die bisher vorliegenden Konzepte zu einer Vorhaltevergütung überzeugen. Der Mengenanreiz wird bleiben, weil auch das dafür verantwortliche Fallpauschalensystem (DRGs) letztlich bleibt. Und fast noch schlimmer: Wir müssen trotz der anderslautenden Ankündigungen in den BMG-Eckpunkten damit rechnen, dass die Abrechnungsbürokratie nicht weniger wird, sondern sogar steigt. Das sind schlechte Nachrichten für alle Mitarbeitenden in den Krankenhäusern, denen die Bürokratie schon jetzt die Zeit für die Patientenversorgung raubt.“

 

Reinhardt plädierte dafür, die Vergütungsreform noch einmal völlig neu anzugehen: „Angesichts der prekären Lage vieler Krankenhäuser sollten Bund und Länder wissen, dass es bessere Krankenhausstrukturen nicht zum Nulltarif geben kann. Die heutigen Ankündigungen zur Investitionsfinanzierung und zu einem neuen Strukturfonds sind viel zu vage und verkennen den Ernst der Lage. Die Krankenhäuser brauchen kurzfristig Hilfe. Andernfalls erleben wir schon in diesem Jahr einen kalten Strukturwandel, der am Ende auch die Krankenhäuser trifft, die wir für die Patientenversorgung dringend brauchen“, so der BÄK-Präsident.

 

Deutsche Krankenhaus Gesellschaft: "Viele Kliniken werden Reform nicht mehr erleben"

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) kritisiert, dass sich Bund und Länder ein weiteres Mal nicht auf ein Vorschaltgesetz zur Rettung der Krankenhäuser geeinigt haben. Dazu erklärt die stellvertretende DKG-Vorstandsvorsitzende Prof. Dr. Henriette Neumeyer:

„Die Ergebnisse lassen befürchten, dass viele bedarfsnotwendige Krankenhäuser die Reform gar nicht mehr erleben werden. Sie werden schon vorher durch politisch unterlassene Hilfeleistung in die Insolvenz gehen. Inflation und die Nachwirkungen der Corona-Pandemie setzen den Krankenhäusern weiterhin wirtschaftlich immens zu. Hinzu kommen die zu erwartenden und notwendigen hohen Tarifabschlüsse und die Unsicherheiten zur anstehenden großen Krankenhausreform."

 

Außerdem hätten es Bund und Länder "erneut versäumt, sich auf ein Vorschaltgesetz zu einigen, das den Kliniken wirtschaftliche Sicherheit geben könnte. So drohen weiterhin massive Versorgungseinschränkungen durch Krankenhausinsolvenzen und -schließungen".

 

Die Krankenhäuser warten noch immer auf einen vollständigen Inflationsausgleich. Die Reform selber werde "frühestens mittelfristig Wirkung erzielen", so Neumeyer: "Die Ideen zur Finanzierung sind unzureichend. Nach derzeitigem Stand wird nur der bestehende Mangel umverteilt. Die Unterfinanzierung nachhaltig zu beseitigen, ist nicht vorgesehen. Das führt weiterhin zu einem unkontrollierten Krankenhaussterben. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Krankenhäuser, die jeden Tag vor Ort die Versorgung sichern, warten ebenfalls auf klare Signale aus der Politik, dass die Sicherung der Patientenversorgung höchste Priorität hat. Wir können es uns nicht leisten, Krankenhausbeschäftigte durch fehlende Planungssicherheit zu demotivieren."

 

Außerdem fehle "eine klare Aussage, wie die Investitionsfinanzierung gesichert wird. Es wird anerkannt, dass es Mittel in einem Strukturfonds geben muss, aber wie und in welchem Maße, bleibt unklar. Wer aber den Transformationsprozess gestalten will, muss investieren. Nach unseren Berechnungen sind mindestens zwischen 24 und 50 Milliarden Euro notwendig, um die Eckpunkte der Reform umzusetzen. Der vorhandene Investitionsstau wäre damit noch nicht aufgelöst und das Ziel der Klimaneutralität noch nicht erreicht."

 

Kranken-Haustandorte werden deutlich reduzieren: "So ehrlich muss man in der Debatte sein. Und das kann zu gravierenden Problemen gerade in ländlichen Gebieten führen. Besonders einschneidend sind drohende Versorgungseinschränkungen in Regionen, in denen die Gesundheitsversorgung ohnehin schon schwierig ist. Wo der niedergelassene Sektor aufgrund des demografischen Wandels immer weiter wegbricht, können wir uns Krankenhausschließungen nicht leisten.“

 

Quelle: BMG / Bundesärztekammer (Dezernat Politik und Kommunikation) / DKG

 


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